Für eine gerechte Welt

Der Grafiker und Holzschneider HAP Grieshaber

No. 03/2023

Gemeinschaft, Natur, Engagement und Gerechtigkeit waren die großen Themen, die HAP Grieshaber (1909–1981) in den rund 50 Jahren seines nahezu fortwährenden Schaffens bewegten. In seinem bevorzugten Medium, dem Holzschnitt, formulierte er in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg großformatige Appelle an seine Umwelt, um Missstände aufzudecken und Katastrophen abzuwenden, die heute in der Öffentlichkeit breit diskutiert werden.

HAP Grieshaber, Hippieblume, 1970, Privatsammlung
Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert, © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Gefesselte Taube (1950), Kongo-Triptychon (1961), Hippieblume (1970), Wald – Umweltschutz (1972), Demokraten wählen! (1980) lauten nur eine Handvoll Werktitel aus dem großen Konvolut, welches das Museum Wiesbaden derzeit in einer monografischen Schau zeigt. Dahinter verbergen sich oft großformatige Holzschnitte, in die HAP Grieshaber seine humanistischen Leitgedanken teils abstrahiert, teils figurativ oder in Form von Botschaften in blockhaften Lettern einschrieb.

HAP Grieshaber erlebte seinen künstlerischen Durchbruch in den 1950er Jahren. Die seit dem Mittelalter gängige Technik des Holzschnittes war zwar bereits unter den Expressionisten ein beliebtes Mittel für den Zweck der Reproduktion. Grieshaber aber überführte ihn zu einer künstlerischen Selbstständigkeit, indem er nicht nur die Auflage auf wenige Handdrucke beschränkte, sondern auch noch das Format dahingehend vergrößerte, dass es einem Tafelbild gleichkam. Unter vollem Körpereinsatz und mit Werkzeugen vom Schlägel bis zur Flex bearbeitete der gelernte Schriftsetzer den sperrigen Druckstock so lange, bis er zu seinen virtuosen und spannungsreichen Kompositionen gelangte, die er im Mehrfarbendruck variierte. Ein archaischer Formenschatz, feine Linien und ein erzählerischer Ansatz zeichnen seine figurenreichen Werke aus, die durch den gezielten Einsatz von hellen und dunklen Partien Appellcharakter erhalten.

Auch wenn seine Bildaussagen es vermuten lassen, verstand sich Grieshaber, der beide Weltkriege erlebt hatte, nicht als politischer Künstler, sondern als Aktivist, der sich für die Schwachen und Entrechteten einsetzte, für die er das Wort ergriff. Damit folgte er seinem Vorbild Pablo Picasso, dessen Werk Guernica (1937) er ab 1946 in Vorträgen an deutschen Hochschulen vorstellte. Wie dieser seinen Fokus auf die Menschen richtete und gegen das Franco-Regime ankämpfte, so machte sich auch Grieshaber in seiner Kunst gegen die Militärdiktaturen in Griechenland und Chile stark: „Solange ich an etwas arbeite, glaube ich natürlich immer, dass ich die Welt verändere. Ich träume von einer gerechteren Welt.“ af

HAP Grieshaber. Form - Sprache
Bis 21. Januar 2024
Museum Wiesbaden

Katalog zur Ausstellung
Premiumausgabe:
Steifbroschur mit offener Fadenheftung und Siebdruck 
Hirmer Verlag € 39,90