Mit dem Stift für die Freiheit

Nr. 01/2024

Geistreich, spitzzüngig, streitbar und technisch äußerst brillant – der französische Künstler Honoré Daumier (1808–1879) hinterließ mit seinen gesellschaftskritischen Lithografien, Karikaturen und Satiren ein Werk, das ihn zu einer der prägenden Künstlerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts werden ließ.

Honoré Daumier, Équilibre européen (Europäisches Gleichgewicht), 1867 © Privatsammlung

Eine Narbe an der Stirn blieb Daumier als Erinnerung an das Jahr 1830, in dem er sich als überzeugter Republikaner aktiv am Pariser Juli-Aufstand gegen die Monarchie beteiligte. Für den jungen Zeichner und Lithografen, der zu dieser Zeit mit ersten Arbeiten seine mittellosen Eltern und neun jüngere Geschwister ernährte, stellte das Jahr 1830 eine Wende in seinem beruflichen Leben dar: Als Hauptzeichner bei der sozialkritischen Zeitschrift La Caricature angestellt, avancierte er mit dem Stift zum politischen Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, Bürgerrechte und demokratische Prinzipien.

Nach einem Attentat auf den König wurde 1835 jedoch jegliches Bekenntnis zur Republik untersagt und die Pressefreiheit abgeschafft, somit auch La Caricature verboten. Das Ende seiner politischen Karikaturen war für Daumier der Beginn seiner Gesellschaftssatiren, die er überwiegend für das Journal Le Charivari schuf. Daumier, der die Zensur umgehen musste, entwickelte sich zu einem Meister der karikaturistischen Erfindungskraft, die er vor allem in sein Lieblingsmotiv, den Pariser Kleinbürger, investierte. Mit offenkundiger Sympathie für die kleinen und größeren Laster seiner Protagonisten, für die Fehlbarkeiten und ihre allzu menschlichen Inkompetenzen entwarf Daumier nicht nur ein sozialkritisches Gesamtbild der bürgerlichen Pariser Gesellschaft, sondern kommentierte die tiefgreifenden Umbrüche eines gebeutelten Europas. cv

Honoré Daumier. Die Sammlung Hellwig
Bis 12. Mai 2024
Städel Museum, Frankfurt am Main

Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 45,–