Betrachten und Reden

Die Sammlungen der Museen Linz

No. 03/2019

Mit zwei profund erarbeiteten Ausstellungsprojekten nehmen sich die städtischen Linzer Kunstmuseen Lentos und Nordico in diesem Herbst ihrer jeweiligen Sammlungsgeschichte an. Im Mittelpunkt des Dialogs der beiden Häuser stehen zwei Persönlichkeiten, die nach dem Zweiten Weltkrieg der heute so lebendigen Kunstszene der Stadt als Impulsgeber Entscheidendes mitgegeben haben.

Lovis Corinth, Wolfgang Gurlitt, 1917, Lentos Kunstmuseum Linz, Foto: Norbert Artner

1971 konnte das Nordico eine exquisite Sammlung von Meisterzeichnungen übernehmen, darunter Grafiken von Rubens, Lorrain, Ingres, Waldmüller, Signac und Kubin. Es handelte sich dabei um den Nachlass des Kunsthistorikers Justus Schmidt (1903–1970), der 1945 bis 1947 das Museum kommissarisch leitete. Was hier in einem schlichten Koffer eingereicht wurde, war politisch brisant, wie 50 Jahre später Ausstellung und Katalog mit dem Titel Das stille Vergnügen aufzeigen, in denen eine Expertenschaft die Rolle von Schmidt und seiner Kunst während des NS-Regimes eingehend diskutiert.

Die Frage nach Provenienzen führt auch in die Sammlung Lentos, die mit der Schau Wolfgang Gurlitt. Zauberprinz ein Stück Museumsgeschichte offenbart. Der Grundstock der hier verwahrten Kunstwerke – Gemälde und Grafiken von Corinth, Kokoschka, Kubin, Pechstein und Schiele etc. – stammt aus dem Besitz des Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt (1988–1965), der unter den Nationalsozialisten die Beschaffung von Kunst für das geplante Führermuseum in Linz organisierte.

Die persönliche Beziehung beider Protagonisten macht schlagartig deutlich, warum diese Doppelausstellung konzeptionell höchst spannend ist: Während Schmidt in Linz als Kunstsachverständiger am Oberösterreichischen Landesmuseum während der NS-Herrschaft die „Führermuseumsbestände“ betreute, geriet auf seine Vermittlung der international vernetzte Kunsthändler Gurlitt in die Donaustadt, wo er ab 1947 die Neue Galerie – und damit die Vorgängerinstitution des Lentos – leitete. 84 Gemälde und 33 Zeichnungen kauf‌te die Stadt Linz ihrem Museumdirektor Anfang der 1950er Jahre ab und begründete so eine neue Ära Linzer Kunstgeschichte. Schillernd sind in diesem Spektrum zwischen Kunsthandel, persönlichen Verflechtungen und Politik die handelnden Personen; Kunstwerke der feinsten Qualität stehen zu genussvoller Betrachtung wie zu wissenschaftlicher Revision an und zu reden ist über die Provenienz jedes einzelnen schönen Stücks.

Die Ausstellung Das stille Vergnügen im Nordico Stadtmuseum läuft bis 5. Januar, Wolfgang Gurlitt. Zauberprinz im Lentos Kunstmuseum bis 19. Januar 2020.  mk

Cover für Das stille VergnügenDas stille Vergnügen
Meisterzeichnungen aus der Sammlung Justus Schmidt
Bis 5. Januar 2020
NORDICO Stadtmuseum Linz 
Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 39,90




Cover für Wolfgang Gurlitt ZauberprinzWolfgang Gurlitt. Zauberprinz
bis 19.Januar 2020
LENTOS Kunstmuseum Linz 
Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 39,90