Pool des Lebens

David Hockney - Die Retrospektive

No. 01/2020

Die Tate London hat zu einer Zeit, in der teure Leihgaben immer seltener werden, weil die Versicherungssummen sämtliche Budgets sprengen, einige der wichtigsten Hauptwerke des britischen Jahrhundertkünstlers über den Channel nach Hamburg geschickt. Auch vor dem Hintergrund des Brexit dürfen die großzügigen Leihgaben als hoffnungsstiftendes Zeichen gewertet werten.

David Hockney, My Parents, 1977, Tate, London © David Hockney, Foto: Tate, London 2019

Die ca. 100 Werke umfassende Museumsschau zeigt einen mit Bedacht gewählten Querschnitt aus den wichtigsten Werkphasen des heute 82-jährigen Künstlers, dessen Pool with two figures unlängst in New York für 90 Millionen US-Dollar versteigert wurde. Die Retrospektive startet mit seltenen frühen Arbeiten auf Papier, die aus der Studentenzeit am Royal College of Art in London stammen. Das war bevor der damals erst 24-jährige Hockney 1961 eine erste Reise in die USA antrat, um fünf Jahre später vollständig nach Los Angeles überzusiedeln. Der Blick auf die neue Welt sollte sein Werk nachhaltig prägen: Das Licht und die Sonne Kaliforniens sowie die liberale Lebensweise der Westküste veränderten seine Malerei grundlegend. Seine Palette bekommt etwas Strahlendes, die Farben werden knallig, die Schattenwürfe scharf, das Blau der Swimmingpools überirdisch. A bigger splash von 1967 sowie die Swimmingpool-Bilder überhaupt sind Ikonen für ein neues, freieres Lebensgefühl, weit weg vom puritanischen, regnerischen England. Hier entstehen auch erste Aktbilder junger Männer, die offen Hockneys Homosexualität thematisierten zu einer Zeit, in der sie in England noch strafbar war. Auch sein dandyhaftes Auftreten mit blond gefärbtem Haar und kreisrunder Brille stehen für diesen neu gelebten Hedonismus.

Weitere zentrale Bilder der Ausstellung sind die legendären naturalistischen Doppelporträts Mr and Mrs Clark and Percy und My Parents, in denen Hockney Paarbeziehungen über Blickachsen auf subtil hintergründige Weise darstellt. Ein weiteres Augenmerk richtet die Schau auf die Idee des moving focus, also die Infragestellung der Zentralperspektive, die Hockney zeitlebens beschäftigt. Das 2 × 7 Meter große Landschaftsgemälde A closer grand canyon setzt sich aus 60 Einzelleinwänden zusammen, die Zoom, Panorama- und Froschperspektive auf so meisterhafte Weise in eins bringen, dass ein überwältigendes Ganzes entsteht. ck

Cover für David HockneyDavid Hockney. Die Tate zu Gast
Bis 10. Mai 2020
Bucerius Kunst Forum, Hamburg
Katalog zur Ausstellung
Hrsg. Kathrin Baumstark
Hirmer Verlag € 39,90