Erwin Wurm
Die Retrospektive
No. 02/2024
Was ist Realität? Und was ist absurd? Ist das Absurde nicht Realität? Perspektivenwechsel dieser Art lassen sich bis 9. März in der Wiener Albertina erleben. Anlässlich seines 70. Geburtstags präsentiert Erwin Wurm dort sein bildhauerisches Werk von seinen künstlerischen Anfängen bis hin zur Gegenwart: kuriose, komische und bizarre Skulpturen, die die Schwächen des Menschen entblößen, ihn zunächst auch leibhaftig einbinden, in seinen jüngsten Serien aber seine Transformation ankündigen: Er entschwindet.

Erwin Wurm, Untitled (Hoody I), 2023 © Erwin Wurm, Bildrecht, Wien 2024. Foto: Markus Gradwohl
„Ich wollte eine Figur schaffen, bei der man keinen Menschen sieht, aber sich eine Person vorstellt.“ Nach diesem Credo entstehen seit 2022 die Substitutes, ein Menschenersatz, der sich aus Kleidern formt und Leute erschafft, die als gesichtslose Hüllen genauso durch das Leben taumeln wie Koffer und Taschen statt Köpfen auf dünnen Beinen. Um „Probleme in unserer Welt anzusprechen“ und die Einsicht zu übermitteln, dass wir vergeblich einen Sinn des Lebens suchen, bedient sich Erwin Wurm den Stilmitteln des Absurden sowie des Paradoxen, mit denen er sein Publikum überrascht: sei es mit dem überdimensionalen Narrow House, seinem plastischen, zerquetschten Elternhaus, das keinen Freiraum lässt, fetten Autos in der Gestalt von prallen Würsten als Inbegriff des aufgeblasenen Egos seiner Besitzer, als soziale Performances wie den One Minute Sculptures, das Ausstellungsgäste mittels Handlungsanweisung in unmögliche Positionen brachte, oder – typisch österreichischer Humor – den Abstract Sculptures aus dem Repertoire eines Wiener Würstelstands mit gegenseitig anbandelnden Wurstfiguren oder Heerscharen von emporgereckten Gurkerln, die eine dicke Hose mimen. af
Erwin Wurm Bis 9. März Albertina Wien Katalog zur Ausstellung Premiumausgabe:Cover mit Prägung, Farbschnitt Hirmer Verlag € 49,90