Es ist und bleibt surreal
No. 02/2024
Das Bizarre, Groteske und Monströse, das die Grenze von Traum und Wirklichkeit verschwimmen lässt, ist der Inbegriff des Surrealismus. In der Gegenüberstellung von Kunstwerken der 1920er Jahre und jenen der nachfolgenden Generationen bis heute zeigt die Ausstellung Surrealismus – Welten im Dialog auf, dass die surrealistische Idee nicht am Ende, sondern aktueller denn je ist.

René Magritte, Arbre et lune (Baum und Mond), 1948, Courtesy of Private Collection, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Als Reaktion auf die Schrecken des Ersten Weltkrieges knüpfte der Surrealismus, der 1924 seinen Anfang in Paris nahm, an die Dada-Bewegung an. Anders als diese konzentrierte er sich – beeinflusst von den Thesen Sigmund Freuds zur menschlichen Psyche – vor allem auf die Darstellung fantastisch-irrealer Motive und Sujets.
Die menschenleeren Landschaften Yves Tanguys oder Salvador Dalís, Man Rays Fotografie eines weiblichen Rückenaktes mit f-förmigen, an eine Geige erinnernde Öffnungen, Hans Bellmers zergliederte Puppen, die Pelztasse von Meret Oppenheim oder Le Chasseur von Max Ernst – sie alle zählen mit ihrer prägenden Ästhetik zu den bekanntesten Arbeiten surrealistischer Kunst. Das erklärte Ziel der Künstler*innen war, den kreativen Schaffensprozess vom vernunftgesteuerten Denken zu lösen und intuitiv aus dem Unterbewussten zu schöpfen. Dabei loteten sie das Potenzial des Abseitigen und Tabuisierten aus und richteten ihre Provokationen gegen Staat und Kirche sowie bürgerliche Moral und Wertvorstellungen.
Zeitgenössische Künstler*innen wie Penny Slinger, Cindy Sherman oder Erwin Wurm greifen das Bildvokabular der Surrealisten auf, wobei sich deren ursprünglicher kulturrevolutionärer Anspruch überlebt hat. Die Zielsetzung des Surrealismus, mit tief verankerten Sehgewohnheiten aufzuräumen, etablierte Normen und Wertvorstellungen zu hinterfragen und eine Welt im rapiden Wandel zu beleuchten, ist in ihrer Aktualität jedoch ungebrochen. Mit rund 120 hochkarätigen Exponaten, darunter Gemälde, Fotografien, Filmsequenzen, Collagen und Skulpturen, schenkt die Schau einen spannenden Überblick über 100 Jahre surreale Welten, und ist – frei nach Antonin Artaud, dem Surrealisten der ersten Stunde – „ein Mittel der totalen Befreiung des Geistes“. cv
Surrealismus. Welten im Dialog Bis 5. Januar 2025 Städtische Museen Heilbronn/Kunsthalle Vogelmann Katalog zur Ausstellung 192 Seiten, 120 Abbildungen in Farbe deutsche und englische Ausgabe Hirmer Verlag € 49,90