Rembrandt

Bildregisseur der Emotionen

No. 02/2024

Der herausragende Meister des Barocks, Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669), steht bei gleich zwei Herbstausstellungen des Landes gemeinsam mit berühmten Zeitgenossen im Fokus. Zum einen wird er als Lehrer und Impulsgeber für seine Schüler und nachfolgende Generationen beleuchtet, zum anderen werden seine Gruppenbildnisse, die von Amsterdams Wirtschaftsmacht und der davon profitierenden Bürgerschaft erzählen, in den Mittelpunkt gestellt. Ob als Initiator der „Werkstatt Rembrandt“ oder als Chronist seiner Zeit – die einmalige künstlerische Ausdruckskraft und Emotionalität seiner Bilderzählungen sind eine Reise nach Leipzig und Frankfurt in jedem Fall wert.

Rembrandt Harmensz. van Rijn, Schauspieler oder Kostümstudie einer reich gekleideten Frau (Detail), um 1638, Museum der bildenden Künste Leipzig, Graphische Sammlung

In der jüngst eröffneten Ausstellung Impuls Rembrandt: Lehrer, Stratege, Bestseller im Leipziger Museum der bildenden Künste sind so viele Rembrandt-Werke zu sehen wie kaum zuvor in Deutschland. Sie ist bestückt mit hochkarätigen Leihgaben aus den großen deutschen und niederländischen Museen sowie Sammlungen aus Paris, London und New York. Rembrandts Œuvre sind Arbeiten seiner Schüler zur Seite gestellt, gut die Hälfte der präsentierten 140 Gemälde, Zeichnungen und Radierungen stammen aus der Werkstatt des Malers. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt, wie der Titel es ankündigt, nicht allein auf Rembrandt als genialem Künstler, sondern auf seiner faszinierenden Fähigkeit, für seine Schüler Mentor, Lehrmeister und strategisch agierender, erfolgreicher Netzwerker zu sein. Während die Forschung der vergangenen Jahrzehnte vor allem den Blick auf die stilkritische Unterscheidung zwischen Werken Rembrandts und seiner Schüler bzw. Nachfolger lenkte, sind in jüngerer Zeit zunehmend Rembrandts Unterrichtsinhalte und -methoden von Interesse.

Rembrandts Werkstätte zählte in Amsterdam zu einer der größten und einflussreichsten des 17. Jahrhunderts. Trotz eines hohen Lehrgeldes war der Zulauf über rund fünf Jahrzehnte aus Holland und Europa ungebrochen, seit den 1620er Jahren ließen sich dort im Laufe der Jahre rund 50 Maler im Alter von 12 bis 20 Jahren ausbilden. Ein entscheidender Aspekt für die Attraktivität war die herausragende Qualität von Rembrandts Kunst, die den Schülern nahegebracht wurde: die Lebendigkeit und Dramatik der Bilderzählungen, in denen sich Emotionen und Leidenschaft vereinten, sowie der virtuose Umgang mit Farbe und Licht.

Rembrandt-Werkstatt, Selbstbildnis, 1645/1650, Museum der bildenden Künste Leipzig
Foto: Michael Ehritt

Die Lehrlinge lernten nicht nur in der Malerei, sondern auch in Zeichnungen und Radierungen die Handschrift des Meisters zu imitieren. Das gemeinsame Aktzeichnen nach dem nackten Modell wie auch das genaue Naturstudium „naer het leven“ (nach dem Leben), das die raffinierte Inszenierung von Figuren, Gedanken und Gefühlen mit einbezog, gehörten zum innovativen Unterrichtskonzept Rembrandts.

Eine zweite groß angelegte Ausstellung, die ab Ende November im Städel Museum, Frankfurt, seine Pforten öffnet, vereint mit rund 100 Gemälden, Skulpturen und Druckgrafiken sowie kulturhistorischen Gebrauchsgegenständen Meisterwerke von Rembrandt und seiner Zeitgenossen im Spiegel der Metropole Amsterdam im 17. Jahrhundert.

Bereits im späten 16. Jahrhundert begann die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Amsterdams, zu Rembrandts Lebenszeit entwickelte sich die Stadt zum unangefochtenen europäischen Zentrum des Welthandels. Der bürgerliche Rat garantierte Religions- und Gedankenfreiheit, Wissenschaft und Kunst florierten in nie dagewesener Qualität und Produktivität. Im Auftrag einer selbstbewussten, kapitalkräftigen Bürgerschaft, die als Teil der Führungsriege die Geschicke der Stadt prägten, entstanden eindrucksvolle Gruppenbildnisse, geschaffen von den größten niederländischen Meistern wie Rembrandt, Jakob Backer, Ferdinand Bol, Govert Flinck, Bartholomeus van der Helst oder Jan Victors. Die Gemälde wurden vor allem für die Gebäude der jeweiligen Organisation, wie etwa Handwerksgilden oder Fürsorge- und Besserungsanstalten, geschaffen, die die Auftraggeber bei der Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Ämter zeigten und für alle Zeiten verewigen sollten.

Govaert Flinck, Aufzug der Armbrust(Voetboog)-Schützen unter Hauptmann Joan Huydecoper und Leutnant Frans van Waveren, 1648/50, Amsterdam Museum, Amsterdam

Die Phase, in der diese Gruppenporträts voll erzählerischer Fülle entstanden, wurde bis vor wenigen Jahren als das „Goldene Zeitalter“ in den Niederlanden bezeichnet. Golden war es allerdings nur für eine Eliteschicht, deren wirtschaftlicher Wohlstand zum Teil auf der Grundlage von Versklavung und Ausbeutung in den Kolonien in Asien und Südamerika beruhte. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts begann der Stern von Amsterdam zu sinken. Das Jahr 1672 sollte als Rampjaar, als Katastrophenjahr, in die niederländische Geschichte eingehen. Durch den Kriegseintritt Frankreichs an der Seite Englands standen die Vereinigten niederländischen Provinzen in einem Zweifrontenkrieg, der das Land einschließlich Amsterdams vom Welthandel abschnitt.

Die Ausstellung Rembrandts Amsterdam. Goldene Zeiten? rückt nicht nur die repräsentativen Gruppenporträts von Rembrandt und seinen Malerkollegen in den Mittelpunkt, sondern öffnet den Blick zugleich für die Darstellungen weniger privilegierter Gruppen und zeichnet damit ein Bild der pluralen Amsterdamer Gesellschaft, die von Reichtum und Ungleichheit, Glück und Verderben, Macht und Ohnmacht berichtet. cv

Impuls Rembrandt
Lehrer. Stratege. Bestseller
Bis 26. Januar 2025
Museum der Bildenden Künste, Leipzig

Katalog zur Ausstellung
deutsche und englische Ausgabe
Hirmer Verlag € 45,–

 

Rembrandts Amsterdam
Goldene Zeiten?
27. November 2024 bis 23. März 2025
Städel Museum, Frankfurt am Main

Katalog zur Ausstellung
deutsche und englische Ausgabe
Hirmer Verlag € 49,90