Henri Cartier-Bresson

Die Libelle des Fotojournalismus

No. 02/2024

Wie lässt sich ein Artikel über einen Jahrhundertfotografen bebildern, wenn dieser sein fotografisches Œuvre nur in vollem Umfang als repräsentativ erachtet? Dazu braucht es eine Einzelausstellung wie Watch! Watch! Watch!, die nach einer Station in Hamburg am 11. Oktober im KBr Zentrum für Fotografie der Fundación MAPFRE in Barcelona eröffnet und bis zum 26. Januar währt.

Henri Cartier-Bresson, Berliner Mauer, Westdeutschland, 1962 © 2024 Fondation Henri Cartier-Bresson/Magnum Photos

Bei dem „Auge des Jahrhunderts“, wie er auch genannt wird, handelt es sich um Henri Cartier-Bresson (1908–2004), der wie kaum ein anderer Fotograf eine Bandbreite an Entwicklungen und Stilen durchlief und in seinem Werk die Umbrüche des 20. Jahrhunderts aufgriff – im künstlerischen, sozialen, wie auch im politischen Kontext. 230 Originalabzüge sowie eine Auswahl seiner Bücher und Veröffentlichungen in Illustrierten machen deutlich, dass Kompositionstechniken wie Goldener Schnitt und Geometrie als ordnendes Element, die er in frühen Jahren im Malunterricht des Spätkubisten André Lothe anhand der Werke Alter Meister erlernte, bleibenden Eindruck hinterließ. Hinzu kommt das Kriterium, den „entscheidenden Augenblick“ einzufangen, den er 1952 in seiner Monografie Images à la Sauvette ausführte und damit den Stil der eigenen Generation und der folgenden prägte.

Zu den Ikonen, welche die Fondation Henri Cartier-Bresson in Paris bewahrt, zählen surrealistische Szenen mit ironischer Zuspitzung, Porträts aus dem Künstlermilieu, darunter Alberto Giacometti, Marcel Duchamp, Barbara Hepworth, Coco Chanel oder Pierre Bonnard, sowie Menschen in ihrem Alltag, auf der Straße, im Arbeitsumfeld oder in der Freizeit. Der Gründer der Fotoagentur Magnum schuf vor allem aber auch einen Spiegel der Zeit mit seinem Blick auf Großveranstaltungen und politische Ereignisse vom Bürgerkrieg in Spanien, Gandhis Tod in Neu-Dehli, die letzten Tage der Kuomintang in Peking oder der Mauerbau in Berlin, die er in dynamischen Szenen, perspektivisch eindrucksvollen Auf- und Untersichten, als Einzelbild oder seriell in internationalen Printmedien veröffentlichte – als schneller Reporter mit dem Beinamen „Libelle“, stiller Beobachter oder auch als Bildjournalist, der Haltung zeigt und politisch agiert. af

Watch! Watch! Watch!
Henri Cartier-Bresson
bis 26. Januar 2025
KBr Zentrum für Fotografie der Fundación MAPFRE, Barcelona 

Katalog zur Ausstellung
Hrsg. von Kathrin Baumstark, Ulrich Pohlmann
288 Seiten, 240 Abb. in Farbe
Hirmer Verlag € 49,90