Black Hair

Kunst und Politik in komplexer Verflechtung

No. 03/2020

Vor dem Hintergrund der aktuellen Rassismus-Debatten in den USA widmet sich das Museum der Kent State University in Ohio mit Textures. The history and Art of black hair bis zum Sommer 2022 einem komplexen Thema: der Geschichte der Haarmode der afroamerikanischen Bevölkerung. Die politische Dimension dieser Geschichte wird im Ausstellungskatalog eindrücklich dokumentiert. Die Idee zu dem Projekt gab unter anderem eine zweite Welle des „Natural Hair Move­ment“, das, angeregt durch die aktuellen Unruhen in Amerika, wieder verstärkt diskutiert wird.

Andrew Esiebo, Nuance Mali, 2012, © Andrew Esiebo

Die Bewegung ruft Menschen afrikanischer Abstammung dazu auf, ihr Haar in seiner natürlichen Struktur und Beschaffenheit zu belassen. Zurück geht sie auf die Black Panther Party, die in den 1960er und 70er Jahren mit ihrem Slogan „Black is beautiful“ die Welt eroberte. Ungebändigtes black hair war schon damals zwar ein Symbol für „pride and joy“, aber neben Stolz und Freude immer auch für Stereotypen und schonungslosen Rassismus. Der Katalog greift nicht nur historische Einflüsse wie die Haartrachten afrikanischer Völker, sondern auch aktuelle Tendenzen in Mode und zeitgenössischer Kunst auf. Technische Utensilien wie Glätteisen, Kämme und chemische Pomaden aus der Sammlung des Haarpioniers Willie Morrow geben Einblick in die aufwendigen Prozeduren, mit denen das black hair über die letzten Jahrzehnte hinweg gebändigt wurde. Schwarz-Weiß-Fotos zeigen Frauen, deren Haar mit Bügeleisen brachial bearbeitet wird oder deren Gesichter von ätzenden Bleichpasten bedeckt sind.

Das brisante Thema wird im Katalog als Phänomen ebenso wie in seinen psycho-emotionalen Auswirkungen auf das Selbst, das afroamerikanische Leben und die afroamerikanische Kultur beschrieben. Zeitgenössische Kunstwerke von James Van Der Zee, Sonya Clark, Lorna Simpson, Mary Sibande und Zanele Muholi zeigen einen kritischen Blick auf gesellschaftliche Strukturen, die längst der Vergangenheit angehören sollten: Niemand sollte sich heute noch verpflichtet fühlen, sein Äußeres einer Norm anzupassen, die auf sozialer Diskriminierung von Hautfarben oder der bevorzugten Behandlung von glattem, „geordnetem“ Haar basiert. ck

Cover für TexturesTextures. The History and Art of Black Hair
10. September 2021 bis 14. August 2022
Kent State University Museum 
Katalog zur Ausstellung
Text: Englisch
200 Seiten, 150 Abbildungen
Hirmer Verlag € 39,90