Sepp Werkmeister

und die Street University of Untermenzing

No. 03/2015

Sepp Werkmeister, Selbstportrait

Sepp Werkmeister, Selbstportrait, 1967 © Sepp Werkmeister

Louis Armstrong und Miles Davis, Ella Fitzgerald und John Coltrane – Sepp Werkmeister fotografierte Jazzgrößen in München, Paris und New York und war befreundet mit Musikern wie dem jüngst verstorbenen Max Greger. Das Gespräch mit ihm über Musik, New York, Rassismus und Street Photography führte Kurt Haderer.

Herr Werkmeister, wie haben Sie Max Greger in Erinnerung?
Meine Frau und ich haben ihn gemeinsam 1951 kennengelernt. Da war er Bandleader im amerikanischen Offiziersclub „Orlando di Lasso“ am Platzl. Mit Strasser u.a. hat er Swing gespielt, der den Schwarzen gefallen hat. Im Laufe der Jahre hat sich eine Freundschaft entwickelt. Einmal trafen wir uns in Teneriffa in einem Hotel. Am ersten Tag ist er schon mal hingefallen. Er ist ja öfter gestolpert. Er meinte nur: „Das Hotel swingt nicht!“ Später haben wir uns fast täglich getroffen. Er war ein großer Sinatra-Verehrer und hatte alles von ihm. Ich hatte eine grandiose DVD mit Ella Fitzgerald und Carlos Jobim. Er war hingerissen, hat aber zu mir gesagt „Sepp, ich bin kein Jazzer, ich bin ein Swinger.“

Stichwort Jazz. New York war der große Magnet?
Nicht nur ich, wir alle, die damals jung waren, haben gesagt: „Wir wollen auswandern. Wir gehen nach NY. Wir gehen nach Amerika.“ Das war gängig, nicht nur bei den Mädchen, die in einen Ami verliebt waren. Als ich meine Frau kennengelernt hab’, am ersten Abend, haben wir beide gesagt: „Mia geh ma nach Amerika!“

War die Jazzszene frei von Rassismus?
Nein. Das glaube ich auf keinen Fall. Es gab schwarze Orchester, die haben grundsätzlich keine Weißen beschäftigt. Und es gab weiße Orchester, die haben oft keine Schwarzen beschäftigt. Die schwarzen und weißen Orchester waren Konkurrenten. In den Clubs, in die ich ging, warst du als Weißer genauso integriert wie als Schwarzer. Keine Frage. In den schwarzen Clubs allerdings konnte es dir schon passieren, dass du das Gefühl hattest, du seist nicht am richtigen Platz. Und wenn du eine Kamera dabei hast, bist du eh immer derjenige, der die anderen stört. Als Fotograf störst du immer. Du musst dir angewöhnen, dass du nicht störst. Das musst du lernen. Du sollst dich nicht breitbeinig vorne hinstellen. Man schleicht sich an und bewegt sich am Rand.

Wie war New York in der Nachkriegszeit?
NY ist natürlich nicht Amerika, NY ist NY – davon hatte ich natürlich bestimmte Vorstellungen. Als ich dann die Menschen in NY auf der Straße gesehen hatte, war das für mich ein Novum, das es in Europa so gar nicht gab. In Paris – die Clochards – okay. Ich hab’ die Leut’ so rumliegen sehen … schreckliche Bilder. Das hab’ ich fotografiert oder nicht. Für vieles hatte ich mich in irgendeiner Form geschämt, und vieles fand ich klar. In der Not frisst der Teufel Fliegen.

Mehr hässlich als schön?
Ein Gesicht kann so schön sein, dass es auch hässlich ist. Ein hässliches Gesicht kann aber auch schön sein. Aber jeder von uns hat doch Hässlichkeiten. So ist das auch bei Menschen, die einem begegnen, wie die auf den NY-Fotos. Wenn ich die Leut’ näher kennenlernen würde, und das gelingt ja manchmal, wird’s total umgekehrt.

Sigi Sommer spazierte mit dem Stift durch München, Sepp Werkmeister mit der Kamera?
Die Street-Fotografie hat mich immer schon interessiert – das hat damit zu tun, dass mich der Mensch interessiert: Wie bewegt sich der Mensch auf der Straße? Aber auch das hat sich mit dem Alter etwas verändert. Mittlerweile hab’ ich schon so viele Menschen gesehen und dann kommt noch die Frage hinzu: Was muss ich festhalten? Früher bin ich schon viel mit der Kamera durch München spaziert. Und so wie der Sommer hab’ ich schon auch einen Blick für Außergewöhnliches.

Was kennen wir noch nicht aus Ihrem Privatarchiv?
In meiner Schachtel sind viele außergewöhnliche Bilder vom Nachkriegsmünchen. Es war schon eine besondere Zeit. Man hat plötzlich festgestellt, dass es gar keine Nazis mehr gibt. „Ja, wo sans denn alle?“ Man konnte die Feigheit und Angst der Menschen sehen … Ein Bekannter hat mich mal gefragt: „Sepp, wo hast du denn studiert?“ Ich hab’ ihm gesagt, die Universität würde er nicht kennen. Er meinte jedoch, dass er alle Unis kennen würde. „Aber nicht diese“, antwortete ich. „Ich war auf der Street University of Untermenzing!“

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