Die Kunst war nebenan

Das Haus der Kunst wird 75

No. 03/2012

Von Peter Wendl

Vor 75 Jahren eröffnete Adolf Hitler ein neues Museum in München: Das „Haus der Deutschen Kunst“ sollte – so ersann es Hitler in seiner Eröffnungsrede am 18. Juli 1937 – der zentrale Kunstort im national sozialistischen Deutschland werden und damit zum repräsentativen Ort für „deutsche und völkische Kunst“. Das Gebäude – geplant von Paul Ludwig Troost – wurde eigens als Veranstaltungsort für die jährlich stattfindende Große Deutsche Kunstausstellung errichtet. Bis in das Jahr 1944 war die Schau acht Mal in dem Münchner Museum zu sehen. Für die erste Ausstellung zur Eröff nung des Hauses befahl Hitler zunächst eine Auswahl zeitgenössischer Künstler. Kurz vor der Premiere zeigte er sich jedoch äußerst verärgert über die Arbeit der Juroren: „Man hat hier Stücke aufgehängt, die einem direkt das Grausen beibringen“, wird Hitler im Protokoll Joseph Goebbels zitiert. Daraufhin ließ Hitler die Auswahl erneut vornehmen. Er beauftragte seinen Fotografen Heinrich Hoffmann mit einer Zusammenstellung, die seiner sentimentalen Vorliebe für Genremalerei des 19. Jahrhunderts mit neoklassizistischer Note entsprach. Hitlers Vorstellung einer „deutschen Kunst“ grenzte sich stark von der „modernen Kunst“ der damaligen Zeit ab und veranlasste ihn, alles daranzusetzen, letztere zu verfemen: Mehr als 12.000 Exemplare moderner Kunst ließ Hitler aus deutschen Museen konfiszieren und fasste sie in eine eigene Ausstellung unter dem Titel Entartete Kunst zusammen. Sein Anliegen war es, dem Publikum den Dilettantismus und den schlechten Geschmack moderner Künstler vorzuführen und sie öffentlich zu verschmähen. Pikanterweise eröffnete die Gegenschau in den Münchner Hofgartenarkaden einen Tag nach dem Beginn der ersten Großen Deutschen Kunstausstellung.

Ein Hauch des Verbotenen

Die fünfzehnwöchige Ausstellung wurde ein sensationeller Erfolg: Rund zwei Millionen Besucher strömten laut offizieller Angaben in die Schau. Dass der Zutritt unter 21 Jahren untersagt war und damit ein Hauch des Verbotenen die Ausstellung umwehte, machte das Spektakel perfekt. Das Interesse für die Große Deutsche Kunstausstellung im benachbarten Haus der Deutschen Kunst fiel hingegen wesentlich geringer aus. Hier wurden nur knapp 600.000 Besucher verzeichnet. Und obwohl auch die internationale Beachtung ausblieb, sollte das Haus nach Wunsch Hitlers eine neue Ära deutschwürdiger Kultur auferstehen lassen, die mit der nationalsozialistischen Ideologie im Einklang stand. Überraschenderweise überdauerte das Haus der Deutschen Kunst trotz des zentralen propagandistischen Stellenwertes die Bombardements der alliierten Streitkräfte weitgehend unbeschadet: Die NSDAP ließ das Haus strategisch mit Tarnnetzen und künstlichen Baumkronen verkleiden. Nach dem Kriegsende war das Museum beständig um die Aufarbeitung seiner nationalsozialistischen Vergangenheit bemüht: Zunächst wurde das Wort „Deutsch“ aus dem Titel des Hauses gestrichen. In den sechziger Jahren nahm man an dem Gebäude einige bauliche Veränderungen als Maßnahmen zur Entnazifizierung vor. Diese wurden unter Chris Dercon, der das Haus von 2003 bis 2011 leitete, als „kritischer Rückbau“ des Hauses revidiert: Die nationalsozialistische Vergangenheit des Hauses sollte wieder sichtbar werden, um eine kritische Auseinandersetzung mit der Bausubstanz zu ermöglichen. Okwui Enwezor, der das Direktorenamt 2011 von Dercon übernahm, setzt diesen Prozess nun fort: Zum 75. Jubiläum eröffnete das Haus die Ausstellung Geschichten im Konflikt, die sich explizit mit der Geschichte des Gebäudes und den darin gezeigten Großen Deutschen Kunstausstellungen beschäftigt. Die Präsentation soll nach Ausstellungsende am 13. Januar 2013 in eine Dauerausstellung münden und das Haus der Kunst als „reflexives Museum“ etablieren: als Museum, das sich einerseits zeitgenössischen Diskursen verpflichtet sieht, andererseits aber auch die historische Bedingtheit von Kunst reflektiert.

Geschichten im Konflikt: Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst 1937 –1955 
bis 13. Januar 2013