Die Kathedrale

Von Schinkel bis Gursky

No. 04/2014

Maximilien Luce, Die Uferstraße von Saint-Michel und Notre-Dame, 1901, Musée d ́Orsay, Paris

Maximilien Luce, Die Uferstraße von Saint-Michel und Notre-Dame, 1901, Musée d ́Orsay, Paris

Die gotischen Dome und Kathedralen stellen wohl die bedeutendste Bauaufgabe der europäischen Architekturgeschichte dar. Über Jahrhunderte wurde an den himmelstrebenden Gotteshäusern gebaut, die sämtliche Gebäude der Stadt überragten. Und noch heute bilden sie das Zentrum vieler Städte.

Es ist spannend zu sehen, welchen Blick etwa 150 der wichtigsten europäischen Künstler von der Romantik über den Impressionismus bis zur Moderne auf die Kathedralen geworfen haben. Das neue umfassende Kunstbuch zur Kölner Ausstellung Die Kathedrale führt sie uns eindrucksvoll vor: Den deutschen Romantikern wie Caspar David Friedrich und Karl Friedrich Schinkel ging es nicht darum, die Bauwerke ihrer Gegenwart wirklichkeitsnah abzubilden. Vielmehr stellten sie gewaltige ideale Kathedralen in ideale Landschaften, die sie als Spiegel einer idealen, christlich geprägten Gesellschaftsordnung betrachteten. Die erneute Wahrnehmung gotischer Kathedralen begann in Deutschland mit Goethe, der 1773 seine Schrift Von deutscher Baukunst über das Straßburger Münster veröffentlichte. In Frankreich und England setzte die Rezeption gotischer Baukunst schon früher ein. Eine Ikone englischer Identität ist das Gemälde Die Kathedrale von Salisbury, vom Garten des Bischofs aus gesehen von John Constable. Salisbury gilt als perfekteste Kathedrale Englands. Wie fast alle englischen Bischofskirchen präsentiert sie sich nicht eng von Häusern umgeben, sondern auf einem grünen englischen Rasen bei typisch englischem Wetter. Die berühmtesten seriellen Arbeiten des französischen Impressionismus hat Claude Monet gemalt.

Bei Nebel und Sonnenschein

Von ihm stammen auch 28 Gemälde der Westfassade der Kathedrale von Rouen zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten, bei Nebel und bei Sonnenschein. Monet war fasziniert von der reich gegliederten Architektur, auf der sich die Phänomene von Licht und Schatten so vielfältig reflektierten. Besonders nachhaltig beeindrucken die prismatischen, facettenartigen Ansichten der Marienkirche in Halle von Lyonel Feininger. Aber auch Paul Gauguin, Auguste Rodin, Robert Delaunay, August Macke, Max Ernst, Paul Klee, Pablo Picasso, Andy Warhol, Roy Lichtenstein und in der Gegenwart Stephan Balkenhol und Andreas Gursky sind mit Hauptwerken in diesem Bildband versammelt, der das Zeug zu einem Klassiker hat. wr

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Die Kathedrale
Romantik–Impressionismus–Moderne
Bis 18. Januar 2015 Wallraf-Richartz-Museum, Köln 
Katalog Hirmer Verlag € 49,90