Van Dycks Geheimnisse

Werke und ihre Entstehungsgeschichten

No. 04/2019

Die enorme Wertschätzung für den flämischen Maler Anthonis van Dyck ist ungebrochen, ganze Künstlergenerationen orientieren sich bis heute an seinem feinen Kolorismus und seiner selbstbewussten Kompositionsgabe. Die fulminante Schau Van Dyck stellt ihn als suchenden jungen Maler in Auseinandersetzung mit seinem Lehrmeister Rubens vor, als wissensdurstigen Italienreisenden, als europaweit angesehenen Porträtmaler und als Unternehmer mit effizient organisierter Werkstatt.

Anthonis van Dyck, Selbstbildnis, um 1615 © Wien, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste

Einer der Höhepunkte des Kunstjahres ist die Münchner Ausstellung Van Dyck, die noch bis zum 2. Februar 2020 in der Alten Pinakothek zu sehen ist. Das Haus kann aus einer Fülle an hochkarätigen Werken Van Dycks schöpfen, die der Sammelleidenschaft zweier Vettern aus dem Haus Wittelsbach zu verdanken ist, Kurfürst Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg und Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern. In der Ausstellung wird die eigene Sammlung ergänzt durch prominente Leihgaben aus Europa und Amerika sowie durch Werke von Peter Paul Rubens, Tizian und Domenico Tintoretto.

Rubens, in dessen Umfeld Van Dyck (1599–1641) zwischen 1616 und 1620 arbeitete, war für ihn eine Art Leitstern, an dem er sich in seinen frühen Schaffensjahren orientierte. Während seiner Italienaufenthalte in den 1620er Jahren emanzipierte sich Van Dyck zusehends von Rubens, und der Einfluss Tintorettos und Tizians wurde in seinen Werken spürbar. Nach seiner Rückkehr nach Antwerpen überarbeitete Van Dyck seine Bilder radikal – und behielt dies auch später bei.

Wie intensiv das Ringen um die künstlerische Komposition bei Van Dyck war, kann man in der Alten Pinakothek nicht nur an den Zeichnungen ablesen, die er in Vorbereitung auf seine Bilder anfertigte, sondern auch anhand neuester wissenschaftlicher Methoden wie Infrarot-Reflektogrammen. Diese Technik macht die Überarbeitungen sichtbar und damit die Entwicklungsgeschichte des Werkes für den Betrachter nachvollziehbar. Die Ausstellung versteht sich somit nicht als reine Übersichtsschau, sondern lässt den Besucher an Van Dycks Künstlerpersönlichkeit sowie seinen Mal- und Denkprozessen teilhaben.

„Ausstellungen kommen und gehen, aber Bücher und Kataloge bleiben“, schreibt Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen im Vorwort der begleitenden Publikation. Zugegeben, der Band ist ein Schwergewicht, aber durch seine großartigen Abbildungen und wissenschaftlich fundierte Betrachtung der Werkgenese eine wirklich lohnenswerte Investition in Qualität. um

Cover für Van DyckVan Dyck
Gemälde von Anthonis van Dyck
Bis 2. Februar 2020
Alte Pinakothek München
Katalog zur Ausstellung
Hrsg. von Mirjam Neumeister
Hirmer Verlag € 49,90