Goya, Fragonard, Tiepolo

Die Freiheit der Malerei

No. 04/2019

Wer verstehen und wissen will, wie die Malerei der Moderne möglich wurde und wo ihre Grundlagen zu suchen sind, der kommt um ein markantes Dreigestirn am Himmel der Kunst des 18. Jahrhunderts nicht herum: Tiepolo, Fragonard und Goya. Fremd scheinen sich die mit diesen Namen verbundenen Künstlertemperamente und unüberbrückbar voneinander entfernt die T‌hemenfelder, die mit ihnen assoziiert werden. Umso erfreulicher und dem Kunstfreund höchst willkommen sind daher eine Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle und ein dazugehöriges Katalogbuch, die eine in solcher Intensität nie gesehene Zusammenschau von Werken der drei Großmeister zu präsentieren wagen. Was es darin als das Verbindende zu entdecken gilt, ist nicht weniger als die Befreiung der Kunst zu sich selbst.

Jean-Honoré Fragonard, Der Philosoph, um 1764 © Hamburger Kunsthalle / bpk, Foto: Elke Walford

In den gut 100 Jahren zwischen dem ersten Auf‌treten Tiepolos als Maler in Venedig und dem Tod Goyas 1828 ereignet sich Grundstürzendes in der Malerei. Die einstmals verbindlichen Normen, die Unabdingbarkeit der Perspektive und die Faktizität der Dingwelt, werden zersetzt. In die Wiedergabe mischt sich die Malerei als sichtbare Gestaltung mit Farbe und Form ein, sie demonstriert Eigenrechte und entlarvt die Illusion. Den tradierten Sujets begegnen die revoltierenden Künstler mit Skepsis und Ironie. Tiepolo macht den Anfang. Nichts ist sicher vor seinem stets prachtliebenden Spiel mit der Realität. Schlagartig können sich Raum und Gegenstand bei ihm in flächige Arabesken von Farbe und Licht auf‌lösen. T‌hematisch ist er gerne subversiv: So steht stolz, schön und unbeeindruckt von aller Männerwut seine Ehebrecherin neben einem schwachen Christus (Leihgabe aus Cardiff).

Das Capriccio ist die bevorzugte Ausdrucksform all dieser Innovation: Tiepolo und Goya haben sich seiner sogar seriell bedient. Es erlaubt das Aperçu wie die Abscheulichkeit, die Fantasie genauso wie den scharfen Blick auf das Exemplarische. Goya untergräbt mit seiner Kunst die Autorität nicht nur aller Schönheitsmaßstäbe: Für ihn ist die Gesellschaft Greuel, das Monströse Alltag und die Kunst Beunruhigung. Fragonard hingegen überlässt es der freien Form, den Bildcharakter festzulegen: Fest und klar ist die Stillage seiner Historien, temperamentvoll die seiner Charakterköpfe und duftig verspielt die seiner erotischen Neckereien. Das schwelgerisch illustrierte, Platz gewährende Katalogbuch  ist Augenweide und intellektuelle Herausforderung zugleich: Es erlaubt seinen Lesern, dem Erwachen der Malerei als neuer Bild­dimension zuzuschauen. mk

Cover für Goya, Fragonard, TiepoloGoya, Fragonard, Tiepolo
Die Freiheit der Malerei
13. Dezember bis 13. April 2020
Hamburger Kunsthalle
Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 45,–