Spiel mit den Urängsten

Werthmanns Räume ohne konkrete Inhalte

No. 02/2021

Der Berliner Künstler Martin Werthmann erregt mit seinen großangelegten Kunstinstallationen, in denen er naturhafte und tragische von Menschenhand geschaffene Ereignisse in hochästhetische Erlebnisräume überführt, internationales Aufsehen. Sein jüngstes Werk von 2020 mit dem Titel Die Katastrophe als Raum ist namensgebend für eine Publikation, die erstmals sein umfangreiches Œuvre vorstellt und es mit der Tradition der Katastrophenbilder von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert verknüpft.

Martin Werthmann in seiner Holzschnitt-Installation Die Katastrophe als Raum in der Galerie Heldenreizer Contemporary, München © HELDENREIZER Contemporary, München, Foto: Bernhard Rohnke

Wie ein roter Faden zieht sich die ambivalente Verzahnung von Chaos und Ordnung, Leben und Tod, Schönheit und Gewalt durch das Schaffen des Künstlers Martin Werthmann. 2010 erfand er die Diamant-Atem-Maschine, die aus Atem Edelsteine presst; 2014 stellte er sich in einen tosenden Wasserstrudel von 6 Meter Durchmesser, der stündlich 1 Million Liter um ihn wirbelte; 2019 schuf er sein erstes Bühnenbild für Erich Wolfgang Korngolds Oper Die tote Stadt. Die riesigen Holzschnitte aus verschiedenen Druckschichten mit explosionsartigen Farbstrukturen wirkten wie Mauern und spiegelten gleichzeitig die bedrohlichen Orte außerhalb. Das konsequente Spiel mit den Urängsten setzt er auch bei seiner neuesten Installation ein, dem ersten begehbaren Holzschnitt, in dem er sich mit dem Phänomen Raum auseinandersetzt und das Thema Katastrophe zu einem körperlichen Erlebnis macht. Silence nennt er die Serie, die er hier zu einem Großwerk verbindet. Die Inspiration dafür fand Martin Werthmann in Fotografien von Anschlägen und Kriegshandlungen etwa in Beirut, Aleppo oder Tianjin, die er mittels seiner Drucktechnik in Chiffren von Gewalt auflöst. Indem er immer wieder vereint und kontrastiert, übereinanderlegt und verschränkt, entstehen komplexe Bildwelten voller Spannung. Doch weshalb der Titel Silence – Stille? „Ich habe das Gefühl, wenn man sich die Stille vorstellt, während man auf die Bilder blickt – auch wenn sie vom Erlebnis her gar nicht still sind, dass man dadurch eine noch größere Intensität erfährt“, sagt Werthmann. af

Cover für Martin Werthmann Martin Werthmann
Catastrophe as Space
Hg. Markus Trautner
Text: Deutsch / Englisch
168 Seiten, 88 Abbildungen in Farbe
Hirmer Verlag € 29,90