Hans Mielich

Vergessene Bilder der Münchener Spätrenaissance

No. 03/2022

Das 16. Jahrhundert, in dem Hans Mielich als süddeutscher Maler seine Blütezeit erlebte, war geprägt von glaubenspolitischen Umbrüchen: Auf die Reformation folgten katholische Reformen, mancherorts gab es ein friedvolles Nebeneinander der alten und der neuen Ordnung. Während im protestantischen Wittenberg die Cranach-Werkstatt über Generationen ihren künstlerischen Einfluss ausübte, wirkte Mielich in und im Umkreis seiner Geburtsstadt München als einem Zentrum der katholischen Liga.

Hans Mielich, Der heilige Martin mit dem Bettler, 1550, Diözesanmuseum Freising © Diözesanmuseum Freising

Hans Mielich (1516–1573) war ein Wanderer zwischen den Welten. Mit seinen farblich, kompositorisch und figürlich variantenreichen Werken wie Hexensabbat, Szenen aus dem Leben Christi, Das Heerlager Kaiser Karls V. vor Ingolstadt 1546 oder seinen überaus begehrten Porträts bediente er nicht nur katholische und protestantische Auftraggeber, Bürger, Adel oder Herzogtum gleichermaßen. Auch was seine Stilfindung betrifft, zeigte er sich zeit seines Schaffens flexibel und assimilierend. Davon zeugen zahlreiche Auftragsarbeiten mit einer Nähe zur älteren Generation, darunter u.a. Albrecht Altdorfer, die Gebrüder Beham und Hans Baldung, von denen er sich zusehends emanzipierte, ebenso wie Einflüsse aus vergangenen Epochen oder benachbarten Kunstlandschaften wie Flandern oder Italien, wohin er zweimal aufbrach.

Gerald Dagits jüngst erschienene, 272 Seiten starke Monografie Hans Mielich und die gefräßige Zeit mit einem reich bebilderten Werkverzeichnis entfaltet Mielichs umfangreiches Œuvre von der Buchillustration über humanistisch geprägte Vanitasbilder, gewaltige Meisterstücke wie die Kreuztragung und Verspottung Christi, steile Kompositionen wie der des heiligen Martin aus dem Ligsalz Epitaph des Liebfrauendoms bis hin zu seinem letzten großen Werk, dem Ingolstädter Hochaltar mit über hundert Bildern. Ebenso bringt sie Gemälde und Zeichnungen zutage, die vergessen schienen. Das wohl aufsehenerregendste Blatt ist Mielichs private Pinsel- und Federzeichnung von seinem Garten im Hinterhof der Äußeren Schwabingergasse in München, eine damals äußerst unkonventionelle Ansicht: stimmungsvoll, fast modern oder gar impressionistisch. af

Cover für Hans Mielich und die gefräßige ZeitHans Mielich
und die gefräßige Zeit
von Gerald Dagit
272 Seiten, 150 Abbildungen in Farbe
Hirmer Verlag € 69,–