Goethes Zeitalter

Zeichnungen aus dem Freien Deutschen Hochstift

No. 03/2022

Das 2021 eröffnete Deutsche Romantik-Museum in Goethes Heimatstadt Frankfurt am Main zeigt erstmals die Glanzstücke seiner Sammlung von Zeichnungen der Goethezeit. Aus einem Gesamtbestand von etwa 3000 Blättern haben die Kuratorinnen 110 exquisite Zeichnungen von 69 Künstlern ausgewählt, sowohl elf Werke von Goethe selbst als auch Höhepunkte im Œuvre seiner Zeitgenossen.

Karl Friedrich Schinkel, Titelillustration zu Clemens Brentanos Märchen von den Märchen, 1815, Frankfurter Goethe-Museum © Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum

Johann Wolfgang von Goethe dichtete nicht nur zeitlebens, sondern zeichnete auch mit großer Hingabe. Er stammte mütterlicherseits von dem Maler Lucas Cranach ab, was er jedoch nicht wusste. Erst die Goethe-Forschung hat diese Abstammung nachweisen können. Hätte Goethe seinen Stammbaum besser gekannt, wäre er vermutlich noch intensiver als Zeichner tätig geworden. „Das Auge war vor allen anderen das Organ, womit ich die Welt fasste“ – „wo ich hinsah, erblickte ich ein Bild, und was mir auffiel, was mich erfreute, wollte ich festhalten.“ Mit diesen Worten beschreibt der Dichter seine Affinität zu den Bildenden Künsten, die damals große Namen prägen. Zu ihnen zählen Johann Heinrich Tischbein, Angelika Kauffmann, Caspar David Friedrich, Johann Heinrich Füssli, Karl Friedrich Schinkel und Ludwig von Schwanthaler. Nicht wenige waren mit Goethe bekannt oder wie Tischbein und Kauffmann mit ihm befreundet.

Die Ausstellung und der Begleitkatalog offenbaren, dass die Zeichenkunst um 1800 so reich an Ausdruckformen ist wie zu kaum einer anderen Zeit. So individuell die Handschrift der ausgestellten Künstler, so vielfältig sind auch ihre Sujets: Porträts, Landschaften, Allegorien, Illustrationen von Erzählungen und Gedichten sowie naturwissenschaftliche Zeichnungen. Zu letzteren zählt der Farbenkreis aus Goethes 1810 erschienenen Farbenlehre und die 1807 von ihm geschaffene aquarellierte Zeichnung Höhen der Alten und Neuen Welt, in der er die höchsten Berge Europas mit denen Amerikas verglich. Eine Kopie schickte er an Alexander von Humboldt, den Erstbesteiger des Chimborazo in Ecuador.

Ein Schwerpunkt der Ausstellung zeigt die Italiensehnsucht und die idealisierte römische Antike im Weltbild von Goethe und seinen Zeitgenossen. Nachdem Goethe am 30. Oktober 1786 in Tischbeins Wohnung an der römischen Via del Corso eingezogen war, fertigte dieser mehrere „Augenblicksbilder“ des Dichters an, etwa das Aquarell Goethe am Fenster seiner Wohnung am Corso in Rom. wr

Cover für Zeichnen im Zeitalter GoethesZeichnen im Zeitalter Goethes
Zeichnungen und Aquarelle aus dem Freien Deutschen Hochstift
Bis 6. November 2022
Deutsches Romantik-Museum, Frankfurt a. Main
Katalog zur Ausstellung
Hrsg. von Mareike Hennig und Neela Struck
Hirmer Verlag € 39,90