Kunstfreiheit

Die Secessionen in München, Wien und Berlin

No. 02/2023

Manche Ausstellungsideen sind so überzeugend, dass man sich fragt, warum sie nicht schon viel früher realisiert worden sind. Dazu zählt ein Vergleich der künstlerischen Secessionen in den drei deutschsprachigen Kunstmetropolen, die vor der Wende zum 20. Jahrhundert entstanden: in München 1892, in Wien 1897 und in Berlin 1899. An letzteren Schauplätzen, zunächst in Berlin und später in Wien, eröffnet in Kürze die Schau Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann, welche die ausstellenden Häuser Alte Nationalgalerie und Wien Museum gemeinsam entwickelt haben.

Max Kurzweil, Dame in Gelb, 1899, Wien Museum © Birgit und Peter Kainz, Wien Museum

Der Ausstellungstitel benennt die Hauptprotagonisten, allesamt Publikumsmagneten: Gustav Klimt in Wien, Franz von Stuck in München und Max Liebermann in Berlin. Tatsächlich werden in der Schau aber annähernd 80 Kollegen und Kolleginnen vorgestellt, die sich mit ihrem Beitritt in eine Secession von überkommenen künstlerischen Vereinigungen abwendeten, um sich fortan individuell auszudrücken. Unter zahlreichen Entdeckungen liegt ein besonderes Augenmerk auf den Künstlerinnen. Nur in Berlin konnten sie seit Gründung der Secession ordentliches Mitglied werden, in München und Wien durften sie immerhin in den Ausstellungen vertreten sein. Ihr Anteil lag konstant bei etwa sechs Prozent.

Ausgehend von der These, dass die Secessionen zur Entwicklung einer vielfältigen, international vernetzten Moderne entscheidend beigetragen haben, spannt die Ausstellung einen zeitlichen Bogen von 1892 bis 1913. Sie verdeutlicht gemeinsame Anliegen und stellt die wichtigsten Kunstrichtungen der Avantgarde in ihrer erstaunlichen Vielfalt und Experimentierfreude vor.

In der Vergangenheit wurden die Secessionen entsprechend ihrer Hauptvertreter in München mit dem Symbolismus, in Wien mit dem Jugendstil und in Berlin mit dem Impressionismus in Zusammenhang gebracht. Die Ausstellung zeigt, dass die Realität viel komplexer ist. Die Zusammenschau der Kunstwerke aus allen drei Secessionen erfolgt in 13 Themenräumen. Zu diesen zählen „Die Freiheit der Kunst“, „Internationalität als Programm“, „Das moderne Porträt“, „Kinderwelten“, „Von Arbeit und Alltag“ und „Begegnungen mit der Natur“. Die Revolution, welche die Künstler*innen anstrebten, umfasste dabei drei Gesichtspunkte: Qualität, Zeitgenossenschaft und Ökonomie. Nicht zuletzt waren die Secessionsausstellungen Kunstmessen für ein kunstaffines Bildungsbürgertum. wr

Cover für SecessionenSecessionen. Klimt, Stuck, Liebermann
23. Juni bis 22. Oktober 2023
Alte Nationalgalerie, Berlin
22. Mai bis 13. Oktober 2024
Wien Museum

Katalog zur Ausstellung
Text: Deutsch + Englisch in getrennten Ausgaben
Hirmer Verlag € 45,–