Flucht in die Bilder?

Die Künstler der Brücke im Nationalsozialismus

No. 02/2019

In der kulturellen Auf‌bruchsstimmung am Vorabend des Ersten Weltkrieges 1914 schlossen sich in Deutschland mehrere avantgardistische Künstlergemeinschaften zusammen, darunter „Die Brücke“ in Dresden. Die Vereinigung (1905–1913) zählt die Kunstgeschichte zum deutschen Expressionismus und damit zum Wegbereiter der Moderne.

Karl Schmidt-Rottluff, Entwurzelte Bäume, 1934, Brücke-Museum, Berlin © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Die vier Gründungsmitglieder Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl waren Architekturstudenten und als Maler Autodidakten. Zu den wichtigen Mitgliedern der Gruppe zählen ferner Max Pechstein, Otto Mueller und Emil Nolde. Nach der Auf‌lösung gingen die Brücke-Künstler eigene Wege, doch blieben sie untereinander in Kontakt. In der Weimarer Republik waren die meisten von ihnen angesehen und recht erfolgreich.

Mit Beginn der NS-Diktatur änderte sich dies. Expressionistische Bilder galten in den Augen der Nationalsozialisten als „entartet“. Die berüchtigte NS-Ausstellung „Entartete Kunst“ in München 1937 zeigte beinahe zur Hälfte Werke der ehemaligen Brücke-Künstler. Aber waren diese nur Opfer? Wie standen die Künstler selbst zur NS-Diktatur? Wie gestalteten sie ihren Alltag und ihr künstlerisches Schaffen? Reagierten sie mit Exil, innerer Emigration oder Anbiederung an das Regime? Differenzierte Antworten auf diese kritischen Fragen geben die Kuratorinnen Aya Soika und Meike Hoffmann in einer Ausstellung im Berliner Brücke-Museum mit Werken aus dem Sammlungsbestand sowie in dem inhaltlich fundierten Begleitband, der das Zeug hat, zu einem Standardwerk zu avancieren.

Niemand der ehemaligen Brücke-Künstler wurde persönlich verfolgt: Keiner war Jude oder parteipolitisch auf der Seite der Linken aktiv. Kirchner lebte bereits seit langem in Davos, wo er sich 1938 das Leben nahm. Am anderen Ende der Skala möglicher Verhaltensweisen stand Emil Nolde, der Mitglied der NSDAP war, sich jahrelang den NS-Machthabern anbiederte und sich offen als Antisemit und Rassist zu erkennen gab. Dies beweist auch eine parallel im Museum Hamburger Bahnhof in Berlin gezeigte Sonderausstellung. Sie hat dazu geführt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel im April 2019 zwei Nolde-Gemälde aus ihrem Arbeitszimmer entfernen ließ. wr

Cover für Flucht in die Bilder?Flucht in die Bilder?
Die Künstler der Brücke im Nationalsozialismus
Bis 11. August 2019
Brücke-Museum Berlin
Ausstellungskatalog
Text: Deutsch, Englisch in getrennten Ausgaben
Hirmer Verlag € 45,00