„Es war, als habe sich ein Fenster geöffnet“

Was wir schon immer über ImEx wissen wollten

Claude Monet, En norvégienne (Die Barke in Giverny), um 1887 © RMN-Grand Palais (Muséed'Orsay)/ Hervé Lewandowski

Claude Monet, En norvégienne (Die Barke in Giverny), um 1887 © RMN-Grand Palais (Muséed’Orsay)/ Hervé Lewandowski

No. 02/2015

In dieser Dichte, Qualität und di­rekten Gegenüberstellung hat man sie noch nie gesehen: über 160 Meisterwerke aus dem Im­pressionismus und Expressionis­mus sind den Sommer über zugast in der alten Nationalgalerie Berlin. Hochkarätige Werke über­ wiegend französischer und deut­scher Impressionisten wie Monet, Manet, Degas, Renoir, Lieber­mann, Corinth oder Slevogt tref­fen hier auf Expressionisten wie Kirchner, Heckel, Nolde, Pech­stein oder Marc, um Gegensätzli­ches und Gemeinsames auszu­loten.

Max Pechstein, Sitzendes Mädche (Moritzburg), 1910 © 2015 Pechstein Hamburg / Tökendorf. Foto: bpk / Roman März

Max Pechstein, Sitzendes Mädche (Moritzburg), 1910 © 2015 Pechstein Hamburg / Tökendorf. Foto: bpk / Roman März

Der Ausstellungstitel ImEx, bei dem die Assoziation Import/Export mitschwingt, lässt ahnen, dass hier mit Klischees gespielt und vermutlich auch aufgeräumt wird. Der Impressionismus als lebensfroher Import aus Frankreich einerseits, und der Expressionismus, die existentialistische „Ausdruckskunst“ aus Deutschland, andererseits?

Es ist, wie zu vermuten war, komplexer, spannender und damit lohnenswert, sich diese Ausstellung genauer anzusehen. Welcher Ort wäre besser geeignet, um Highlights aus diesen beiden populären Stilen nebeneinander zu zeigen, als die Nationalgalerie in Berlin? Bereits 1896 kaufte der damalige Direktor Hugo von Tschudi als erster, noch vor seinen Kollegen in Frankreich, für sein Museum Gemälde der französischen Impressionisten, darunter Edouard Manets berühmten Wintergarten. Es folgten Werke von Cézanne, Van Gogh, Gauguin und Rodin, die die Nationalgalerie damals zum bedeutendsten Museum für die moderne französische Kunst werden ließen. Nicht zur Freude aller. Die Erwerbungen sorgten für hitzige Kritik, für sprachlose Schockzustände bei der Kaiserin und

Franz Marc, Kühe, gelb-rot-grün, 1912 © Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München

Franz Marc, Kühe, gelb-rot-grün, 1912 © Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München

„unverhohlenen Schreck“ bei den Prinzen. Der Bitte Kaiser Wilhelms II. an Tschudi, bei seinen Gemäldeankäufen wenigstens auf „violette Schweine“ zu verzichten, kam dieser insofern nach, dass er die Meisterwerke, von denen er annehmen durfte, dass sie dem strengen Blick der Landeskunstkommission nicht standhalten würde, als Schenkung dem Museum zuführte. Denn diese waren nicht genehmigungspflichtig. Nach einer persönlichen Begutachtung der neuen Impressionisten durch den Kaiser änderte sich das, ab 1899 war auch dieses Hintertürchen geschlossen. Es folgten enervierende Diskussionen um jedes Meisterwerk und um Tschudis gesamten Einsatz für die französische Moderne, schließlich gab er 1909 seinen Posten auf.

Pierre-Auguste Renoir, Badende mit blondem, offenen Haar, um 1903 © Belvedere, Wien

Pierre-Auguste Renoir, Badende mit blondem, offenen Haar, um 1903 © Belvedere, Wien

Sein Nachfolger Ludwig Justi baute in den folgenden Jahren, vor allem nach 1918, eine spektakuläre Sammlung expressionistischer Werke auf. Impressionisten und Expressionisten waren ab 1919 erstmals gemeinsam in der Neuen Abteilung der Nationalgalerie im Kronprinzenpalais zwar nicht im direkten Vergleich, aber doch unter einem Dach zu sehen.

In der Ausstellung ImEx halten heute Werke aus den Beständen der Nationalgalerie und Leihgaben aus internationalen Museen eine Zwiesprache, die so bisher nicht möglich war. Neben den gegensätzlichen Ansätzen sind die Übereinstimmungen zwischen Impressionismus und Expressionismus überraschend groß: Die Rebellion gegen ein erstarrtes Kunst-Estab- lishment und der Aufbruch in die Moderne, die Freilichtmalerei, das Umsetzen der Licht-, Farb- und Gefühlserlebnisse und nicht zuletzt die Motive. Stadtansichten, Menschen in Cafés, Bars und der freien Natur, Freizeitszenen, Nachtleben und Naturstudien faszinierten Impressionisten wie Expressionisten gleichermaßen. Diese Hauptmotive beider Stile geben der Ausstellung auch ihre Gliederung, so dass sowohl Gegensätze als auch Gemeinsamkeiten deutlich hervortreten.Wer dem sommerlichen Berlin keinen Besuch abstatten kann oder diese Ausstellung einfach mit nach Hause nehmen möchte, für den empfiehlt sich der Katalog, der mit großartiger Bilderfülle und klugen Texten über die Schau hinaus das Thema beleuchtet. um

9783777423432_3Dn
ImEx Impressionismus – Expressionismus. 
Kunstwende Alte Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin
Bis 20. September 2015 
Katalog zur Ausstellung 
Hrsg. von Angelika Wesenberg 
Hirmer Verlag € 49,90