Der Lack ist ab
No. 03/2020
Von Kurt Haderer
Vor zwei Jahren reiste der dunkelhäutige Johny Pitts fünf Monate durch Europa und besuchte die schwarzen Communitys in den Großstädten.
Anfang der 90er Jahre tauchte der Begriff „Afropean“ zum ersten Mal auf. David Byrne von den Talking Heads beschrieb damit den Musikstil der belgisch-kongolesischen Band Zap Mama, die ihn mit einem Mix aus kongolesischer Volks- und moderner westlicher Popmusik schwer beeindruckte. Die New Yorker Musik- und Mode-Community nahm die Vokabel sogleich für sich in Anspruch und etikettierte damit „die schönen, erfolgreichen (und oft) hellhäutigen Schwarzen“.
In Afropäisch. Eine Reise durch das schwarze Europa kratzt nun Johny Pitts den Lack vom Etikett und findet „die Schönheit in der schwarzen Banalität“. Dies ist das Fazit einer Reise, die der Autor, Sohn einer weißen Britin und eines afroamerikanischen Musikers, im Oktober 2018 unternahm. Fünf Monate tourte er mit einem Interrailticket als schwarzer Backpacker allein durch Europa, um das Leben der Schwarzen in den Großstädten kennenzulernen. In Paris, Brüssel, Amsterdam, Berlin, Stockholm, Moskau und Lissabon trifft er Künstler, Intellektuelle und einfache Arbeiter. Pitts hört ihnen aufmerksam zu und erzählt uns „vom schwarzen Europa unten auf der Straße“. Mit seiner Unbefangenheit und seinem Einfühlungsvermögen hat er „ein Werk [geschaffen], das weitgehend unabhängig von offiziellen Organisationen, Gremien und akademischen Institutionen entstanden ist“.
Johny Pitts wurde in den 90er Jahren geboren und wuchs im englischen Sheffield auf. Er arbeitet als Fotograf, Moderator, Musiker und Autor und gründete die empfehlenswerte Website www.afropean.com. Afropäisch ist sein Debütwerk.
In dieser Reisereportage porträtiert er auf anrührende und bisweilen sogar lyrische Weise das Leben der Schwarzen. Aber auch fundierte soziologische Analysen und Passagen, packend wie ein Abenteuerroman, überzeugen. Pitts bietet uns eine Perspektive, mit der wir Europa ganz neu entdecken lernen. Und die eingestreuten Gedanken über unsere gemeinsame Geschichte aus der Sicht eines Afropäers öffnen uns die Augen. Dieses Buch gehört unbedingt in den Schulunterricht und ins Buchregal.
Afropäisch. Eine Reise durch das schwarze Europa Von Johny Pitts Gebunden, 461 Seiten Suhrkamp Verlag € 26,–