„Wurm am Weg“

Klees Tier-Kosmos

No. 03/2020

Wer ist Jäger, wer Gejagter? Wer Schädling, wer das Wirtstier? Paul Klee stellt in seinen Tierdarstellungen das infrage, was wir als selbstverständliche Gegebenheit ansehen: das Verhältnis und die Rollenverteilung von Mensch und Tier. Es reichen jedoch wenige, wohlgesetzte Linien von Meisterhand, um uns das Menschliche im Tier und das Tierische im Menschen vor Augen zu führen.

Paul Klee, höherer Vogel, 1940, Zentrum Paul Klee, Bern

Nach einem Besuch im Aquarium von Neapel schrieb Paul Klee 1902 an seine spätere Frau Lily Stumpf: „Die gemeinen Polypen sehen aus wie Kunsthändler und blicken verdächtig verständnisvoll um sich […] Andere sassen bis über die ,Ohren‘ im Sand, wie die Menschen im Vorurteil.“ Tiere begleiteten den erklärten Katzenliebhaber Klee zeit seines Lebens: als Gefährten, als Studien- und Sammelobjekte und als beliebte Motive seiner Kunstwerke. Die Darstellung von Insekten, Vögeln, Wasserlebewesen, Katzen, Hunden, rätselhaften Mischwesen oder URCHSen, eine von ihm erfundene Tierart, spiegeln seine Faszination an der Formenvielfalt der Natur und seine Lust am Erschaffen von fantastischen Wesen. Damit einher geht sein ironisch-kritisches, häufig auch humorvolles zeichnerisches Kommentieren der Eigenschaften von Mensch und Tier, ihrer Verhaltensweisen und des ambivalenten Verhältnisses zueinander.

Die in der Ingelheimer Schau gezeigten Exponate sind überwiegend Papierarbeiten, die wegen ihrer Fragilität selten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Umso wichtiger ist der großzügig bebilderte Ausstellungskatalog, der Klees tierischen Kosmos ausführlich vorstellt. um

Cover für Paul KleePaul Klee. Tierisches
Bis 8. November 2020
Kunstforum Ingelheim 
Altes Rathaus
Katalog zur Ausstellung
Text: Deutsch
144 Seiten, 120 Abbildungen
Hirmer Verlag € 24,90