Zweimal lebenslänglich

Rote Karte im Land der Freiheit

No. 02/2019

Im erfolgreichen Vorgänger Flammenwerfer schickt Rachel Kushner ihre Protagonisten in den 1970ern auf eine packende Reise durch die Kunstszene Manhattans. In Ich bin ein Schicksal hingegen schildert sie den absoluten Stillstand. Sie erzählt zeitgenössisch von Menschen, die ihr Leben an die Wand gefahren haben. Und von ihren neuen, schrecklichen Existenzen im Frauengefängnis von Stanville bei San Francisco – in „a man-made hell on earth“.

Die 29-jährige Stripperin Romy Hall teilt dieses Schicksal mit Hunderten anderen Frauen. Sie erschlug einen Stalker, einen Veteranen, und wurde zu zweimal lebenslänglich verurteilt. Kushner schickt auch sie auf eine Reise, die eigentlich unmöglich scheint, da der Roman keinen Plot hat. Aber Romy hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis und einen galligen Humor. Und die ebenfalls „Lebenslänglichen“ Betty LaFrance, ein ehemaliges Beinmodel, sowie Conan, eine Transsexuelle, bringen Schwung in den Laden.

Doch romantisiert oder beschönigt wird hier nichts. In Stanville ist keine unschuldig. Nur einer: Romys Sohn Jackson. „Jackson ist bei meiner Mutter. Das ist die einzige Gnade meines Lebens, dass er sie hat, auch wenn ich sie nicht sonderlich mag.“

Die 1968 in Eugene, Oregon, geborene Rachel Kushner hatte bereits für ihre ersten beiden Romane den National Book Award erhalten. Sie ist eine scharfe Kritikerin des amerikanischen Strafvollzugs und überzeugt mit ihrem dritten Werk. Dieses geht unter die Haut, weil sich in ihren detailgenauen Porträts neben dem eintönigen Knastalltag auch der gnadenlose Zeitgeist widerspiegelt. „Korrigier sie nicht. Wenn sie im Unrecht sind, kriegst du vielleicht Recht.“ Das rät Conan im Umgang mit dem Wachpersonal. Eine Überlebensregel, die wohl auch draußen häufig gilt. kh

Ich bin ein Schicksal
Von Rachel Kushner
Gebunden, 400 Seiten
Rowohlt Verlag € 24,00