Was ist Heimat?
"Näher werde ich nicht kommen"
No. 04/2018
Es ist ganz gleich, auf welcher Seite man das Buch Heimat aufschlägt, der Leser wird augenblicklich in den Sog dieser kunstvoll zusammengefügten Text-Bild-Montagen hineingezogen. Über die Spurensuche nach den eigenen familiären Wurzeln der Autorin hinaus ist der Band ein eindrucksvolles Beispiel für die kritische Auseinandersetzung mit zeitgeschichtlichen Ereignissen.
Wie „Brotkrumen“ sammelte die in Deutschland geborene und mittlerweile in New York lebende Autorin und Illustratorin Nina Krug Informationen über ihre Familie, stellt Fragen zu deren Haltung während des „Dritten Reichs“, betrachtet die zeitgeschichtlichen Umstände und führt alles collageartig zusammen: Zeichnungen, Fotos, handgeschriebene Texte, Postkarten, Briefe, Comic Strips und Archivarien erzählen von ihrem Großvater Willi, der nur wenige Monate, nachdem er die Sozialdemokraten gewählt hatte, der NSDAP beitrat, von Onkel Edwin, der, um nicht den Hitlergruß aussprechen zu müssen, „Drei Liter“ murmelte, von Nachbarn, die plötzlich für immer verschwanden, von US-Militärakten mit belastenden oder entlastenden Einträgen oder von ihrer Großmutter, die 1939 mit einer Gruppe Soldaten nach Wien ging und einen riesen Familienskandal auslöste. Nina Krug ist mit ihren sehr persönlichen Texten und Bildern ein ungewöhnliches Buch gelungen. Sie gräbt nicht sensationsheischend in der Vergangenheit, sondern legt durch ihr genaues Hinsehen und Hinterfragen ein sensibles und zugleich erschütterndes Zeugnis der Vergangenheitsbewältigung vor. um
Heimat Ein deutsches Familienalbum von Nora Krug gebunden, 288 Seiten, Penguin Verlag € 28,–