Tatort Familie

Nominiert für den Deutschen Buchpreis

No. 03/2018

Maxim Biller erzählt in seinem neuen Roman Sechs Koffer die Geschichte der Familie Biller. Im Mittelpunkt steht ein Geheimnis, das mit dem Verrat am Großvater und seiner Hinrichtung in Moskau 1960 zu tun hat. Verdächtigt wird zunächst sein Sohn Dima, der „Tate“, wie der Großvater genannt wird, wegen seiner Schwarzmarktgeschäfte bei den Bolschewiken hingehängt haben soll. Doch kreisen noch zwei weitere Söhne und deren Frauen um ein Mysterium, das die Stalinschen Säuberungen verschuldet haben.

Den fünf Verdächtigen widmet Biller jeweils eines von sechs Kapiteln, in dem die eigene Perspektive bestimmend ist. Sie können aus dem kommunistischen Prag fliehen und landen in Hamburg, Zürich, London und Montreal – mit dem vergifteten Geheimnis im Gepäck. Der Autor nimmt uns mit auf  eine bizarre Reise, die 1975 beginnt, als der Ich-Erzähler nach Zürich fährt und versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Der  Roman glänzt mit einem spannenden Plot, der gespickt ist mit Dialogen, die atmen. Markante Schlüsselsätze wie etwa die Brechtsche Sentenz „Ich glaube von jedem Menschen das Schlechteste, selbst von mir“ und trickreiche Wendungen bereiten großes Lesevergnügen. Die Figuren jedoch sind eher fleischlos skizziert, und der vereinzelt aufglimmende gehässige Tonfall mag manchmal nerven. Hier scheint „Biller, der Provokateur“ durch. Er bleibt sich treu, beißt aber nicht. Weil er weiß, dass auch noch einige andere deutschsprachige Autoren wie Robert Seethaler und Burghart Klaußner den Kampf gegen die Geschichtsvergessenheit beizeiten aufgenommen haben. Wie auch immer. Der kleine Roman mit dem bleiernen Thema ist lakonisch und wirklich leicht erzählt. kh

Sechs KofferSechs Koffer
Von Maxim Biller
208 Seiten, Leinen

Kiepenheuer & Witsch € 19,–