Philip Grözinger

Achterbahn durchs Himmelstor

No. 02/2021

„Philip Grözingers Gemälde gehören nach Rom“, so lautet der Einstieg in den Werkkatalog, den die Nicole Gnesa Galerie anlässlich der Retrospektive 2021 herausgegeben hat. Denn der 1972 geborene Berliner Künstler bespielt mit seinem expressiven Bildkosmos große Welt(kunst)geschichte von der Romantik über den Surrealismus bis hin zur Gamification und künstlichen Intelligenz.

Philip Grözinger, Mullholland Drive, 2021, © Philip Grözinger, courtesy: Nicole Gnesa Galerie, München

Lustige Planeten, bunte Blumen und groteske Wesen bevölkern die Gemälde von Philip Grözinger. Vordergründig sind es fröhliche Szenerien, wäre das vermeintliche Paradies nicht unter der Oberfläche ernst, düster oder hochexplosiv wie der bunte Knall, den der lächelnde Cowboy aus seinem Revolver abfeuert – Ende ungewiss, aber ebenso der Anfang: Wie lässt sich der maskierte kleine Mann chronologisch ins Geschehen einfügen? In anderen Werken fahren eigenwillige Maschinen, Konstruktionen und Spielobjekte Achterbahn durchs Himmelstor in die Freiheit, wo sie weder physikalischen Einschränkungen unterliegen noch einer Zweckgebundenheit. Philip Grözinger nennt das im rheinländisch-bergischen Slang „knüren“, was soviel heißt wie zum Vergnügen basteln, sinnfrei, zeitlos, mit Genuss, aber nicht ohne Verstand. Mag seine Bild- und Formensprache kindlich wirken, so zitieren die Szenen in ihrer Komposition und ihren Staffagefiguren große Vorbilder wie Caspar David Friedrich, Böcklin oder Carus. Mitunter schwimmt Grözinger selbst in seinen Utopien augenzwinkernd mit, um die menschlichen Unzulänglichkeiten spielerisch aufzulösen oder aus ihnen künstlich intelligente Wandbilder zu stricken. af

Cover für Philip GrözingerPhilip Grözinger - If
Bis 12. Juni 2021
Nicole Gnesa Galerie, München
Ausstellungskatalog
Text: Deutsch/Englisch
192 Seiten, 120 Abbildungen
Hirmer Verlag € 39,90