Lucas Cranach der Jüngere

Ein Künstlerleben in bewegten Zeiten

No. 02/2015

Als Lucas Cranach d.J. (1515 –1586) in die Werkstatt seines Vaters, Lucas Cranach d.Ä. eintrat, war diese in der Residenz- und Universitätsstadt Wittenberg bereits etabliert. Nach über 20 Jahren Zusammenarbeit, die mit dem Weggang des Vaters endete, führte Cranach d.J. ab 1550 den Betrieb weiter und bediente die Auftraggeber mit einer Vielzahl an Werken: Tafelgemälde mit profanen und religiösen Themen, Porträts sowie Druckgrafik. Wie sehr sein Lebenswerk mit den künstlerischen, theologischen, politischen, gesellschaftlichen und familiären Einflüssen in Wittenberg und darüber hinaus verwoben ist, steht im Fokus der ersten monografischen Ausstellungen, die anlässlich der 500. Wiederkehr seines Geburtstags in Orten wie Wittenberg, Torgau, Dessau und Wörlitz ausgerichtet werden. Verschiedene Buchpublikationen und Tagungsbände begleiten die Feierlichkeiten des so genannten Cranachjahrs – und schließen die Lücken einer bislang unvollständigen Forschung.

Lucas Cranach der Jüngere, Ruhende Quellnymphe, um 1550 © Nationalmuseum für Kunst, Architektur und Design, Oslo

Lucas Cranach der Jüngere, Ruhende Quellnymphe, um 1550
© Nationalmuseum für Kunst, Architektur und Design, Oslo

Dass Lucas Cranach d. J. als Künstler, politischer Akteur und Zeitzeuge der Reformation noch nicht eingehend untersucht wurde, ist seinem Dasein als Sohn eines vielgerühmten Künstlers sowie seiner Rolle als Vertreter der so genannten Zwischengeneration geschuldet: Die Reformation war vollzogen, die Konfessionalisierung hingegen ließ noch auf sich warten. Die Jahrzehnte nach der Reformation waren Zeiten der Unsicherheit, immer wieder hielten politische Aktionen das Land in Atem. 1546 starb Martin Luther und brachte damit einen Stein ins Rollen. Denn Kaiser Karl V. hegte nun die Absicht, die Religionsfrage im Reich zu lösen, gewann Moritz von Sachsen im Schmalkaldischen Krieg auf seine Seite und nahm den sächsischen Kurfürsten fest. Als Cranach d.Ä., enger Freund Martin Luthers und loyaler Hofmaler der Kurfürsten von Sachsen, ab 1550 seinen Herrn Johann Friedrich nach Augsburg, Innsbruck und schließlich Weimar in die verschiedenen Quartiere der Gefangenschaft begleitete, übernahm der junge Cranach die Wittenberger Werkstatt. Als Meister und Leiter des künstlerischen Betriebs zählte er nun zu den ranghöchsten Handwerkern und stand damit auf einer Stufe mit Professoren der Universität und Hofbeamten. Sein Wirken als Ratsherr, Ratskämmerer und Bürgermeister, der im gehobenen Milieu verkehrte, hatte auch familiäre Folgen: War bereits sein Vater mit Intellektuellen befreundet und in diesem Zuge bei der Eheschließung Luthers mit Katharina von Bora als Brautwerber involviert, so stammten beide Ehefrauen Cranachs d. J. aus dem Hause eines Hofbeamten bzw. eines Professoren.

Von Fürsten geliebt

Lucas Cranach der Jüngere, Moritz von Sachsen, um 1545 © Musee des Beaux-arts Reims

Lucas Cranach der Jüngere, Moritz von Sachsen, um 1545 © Musee des Beaux-arts Reims

Die Tatsache, dass Cranach d.J. anlässlich seiner ersten Eheschließung im Jahr 1541 vom Rat der Stadt Wittenberg Wein und Karpfen ausgegeben wurde und die Kurfürstin Margarethe von Anhalt ihm einen vergoldeten Krug vermachte, spricht für die hohe Wertschätzung, die dem Künstler von Seiten der Stadt sowie des Hofes widerfuhr. Landschaft und Genre, Bildnis und Akt, antike Mythologie und christliche Religion – die Werkstatt erfüllte die verschiedenen Wünsche der Auftraggeber und stattete Schlösser sowie Rathäuser aus. Die Tradition der Stillleben am Hofe führte zu ausgeprägten Fähigkeiten in der Abbildung von Natur und höfischer Kultur. Der Zeitzeuge Christoph Scheurl berichtete, die Fürsten hätten Vater Cranach regelmäßig zur Jagd mitgenommen, damit er das Geschehen präzise in Gemälden festhalte. Von dieser Gabe profitierte auch Cranach d. J., der Bildkompositionen wie die Ruhende Quellnymphe von seinem Vater übernahm und mittels angesagter Kleidungsstücke der Hofdamen und gezielter Hintergrundgestaltung in die Gegenwart übersetzte.

Die Reformation der Bilder9783777423685_3Dn

Cranach d. J. blieb – anders als sein Vater – zeit seines Lebens Wittenberg, dem Zentrum der Reformation, verhaftet. Von Kindheit an hatte er Kontakt mit der lutherischen Bewegung, saß unter Luthers Kanzel und las aus dessen „Betbüchlein“. Für die künstlerische Ausstattung der neuen Landeskirchen war Cranach prädestiniert, da er nicht nur mit den Inhalten der „reinen Lehre“ vertraut war, sondern sie auch auszuloten und entsprechend umzusetzen wusste. Zwar hatte das grundlegende Repertoire der reformatorischen Bildthemen bereits sein Vater abgesteckt, doch oblag es 9783777423982_3Dndem jüngeren Cranach, diese auszufeilen und zu verbreiten. Mit seinen stark gewichteten Bildprogrammen, die er auf Kirchenräume übertrug und reformatorische Errungenschaften wie Kanzeln und Emporen ausstattete, war er traditionsbildend.

Zu immer wiederkehrenden Motiven auf Altarblättern und Epitaphien zählen Porträts von Reformatoren, Stifterfiguren wie die Fürstenfamilie, die mit aufgeschlagenen Bibeln auf Textstellen verweisen oder mit dem Betrachter per Fingerzeig kommunizieren. Als lebensgroße Gemälde, ganzfigurig oder im Büstenausschnitt, transportable kleinformatige Druckgrafiken oder Riesenholzschnitte fand diese Porträtform weite Verbreitung und Zugang in internationale Sammlungen. 500 Jahre nach Geburt Lucas Cranach d.J. ist es eine Bereicherung, dass erstmals an so vielen Orten und historischen Stätten das ganze Spektrum seiner Schätze ausgebreitet wird. af

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Lucas Cranach der Jüngere.
Entdeckung eines Meisters 
Hirmer Verlag € 39,90

Lucas Cranach der Jüngere und die Reformation der Bilder
Hirmer Verlag € 45,–

Cranach im Gotischen Haus in Wörlitz
Hirmer Verlag € 39,90




9783777424095_3DnDie Cranachsammlung des Musée des Beaux-Arts de Reims 
Hirmer Verlag € 19,90