Kunst und Raum

Ed Ruscha und Peter Zumthor in Bregenz

No. 03/2012

Von Caroline Klapp

Reading Ed Ruscha, Ausstellungsansicht 3. OG, Kunsthaus Bregenz © Christian Hinz

Reading Ed Ruscha, Ausstellungsansicht 3. OG, Kunsthaus Bregenz © Christian Hinz

Im Kunsthaus Bregenz erwartet den Besucher eine Entdeckung: Ed Ruscha, einer der bedeutendsten amerikanischen Pop-Art-Künstler der Westküste, dessen großformatige Schriftbilder weithin bekannt sind, offenbart in der Ausstellung Reading Ed Ruscha die Ursprünge seiner Kunst. Alles dreht sich dabei um Bücher: das Buch als Motiv, als Bildträger oder als skulpturales Objekt. Seit über fünf Jahrzehnten stehen im Werk Ed Ruschas Wort und Text als visuelles Symbol im Mittelpunkt. Dabei tritt die imaginäre Kraft des geschriebenen Wortes in Wettstreit mit dem gemalten Bild und umgekehrt, und es wird schnell deutlich, dass unsere Wahrnehmung zwischen Wort und Bild nicht gerne trennt.

Der 1937 geborene Künstler arbeitete während des Kunststudiums in Los Angeles unter anderem als Schildermaler für Werbeagenturen. Bevor er in seinen Gemälden Bücher als Motiv einsetzte, produzierte Ed Ruscha in den 1960er und frühen 70er Jahren kleinformatige Fotobücher in Taschenbuchbindung: 1963 fotografierte er alle 26 Tankstellen, die auf der Strecke von seinem damaligen Wohnort Los Angeles zu seiner Familie in Oklahoma lagen. So entstanden Twentysix Gasoline Stations, A few palm trees oder Nine Swimming Pools mit Fotos des urbanen Alltags, die den spezifisch amerikanischen Zustand des on the road, des Unterwegs-Seins, widerspiegeln. Ganz im Geist der Pop-Art wurden die Fotobücher damals als Kunstobjekte in Massenproduktion für drei Dollar das Stück verkauft.

Heute liegen sie in Bregenz in Glasvitrinen und können nur digital durchgeblättert werden. Zu den schönsten Arbeiten der Ausstellung gehört eine Reihe von Kleinformaten, in denen Ruscha mit Bleiche rechteckige Aussparungen in monochrome Farbfelder aus Buchleinen setzt. Die Bleichflecken gleichen schwarzen Zensurbalken – Ruscha selbst bezeichnet sie als „stumme Blöcke“. Dazugehörige Bildunterschriften wie You talk you get killed (Wenn du redest, bist du tot) machen den Betrachter zum ungewollten Mitwisser geheimer Drohungen aus dem Gangstermilieu, und abstrakte Bilder beginnen plötzlich eine Geschichte zu erzählen. Nahezu programmatisch hingegen und ein Manifest gegen den Untergang der Papierkultur sind drei im dritten Obergeschoss nebeneinander gehängte, eigens für die Ausstellung entstandene Bilder: Sie zeigen überlebensgroße aufgeschlagene Bücher mit leeren Seiten. Old Book Back Then ist unberührt weiß, Old Book Today leicht abgegriffen und Old Book With Wormholes wurmstichig und vergilbt. Zu der poetischen Nostalgie dieser Arbeiten bildet die immer wieder überzeugende Architektur aus Sichtbeton und Glas einen angenehm nüchternen Gegenpol.

Der Besucher des Kunsthauses sollte es daher keinesfalls versäumen, im benachbarten Postgebäude die – im wahrsten Sinne fantastischen – Architekturmodelle von Peter Zumthor, dem Architekten des 1997 erbauten Kunsthauses, anzusehen. Ausgestellt wird eine Auswahl seiner skulpturalen Raumerfindungen, die sowohl in der Umsetzung als auch in der Materialität so gar nichts von der Nüchternheit gängiger Architekturmodelle haben. Peter Zumthor hat hier eine Art chronologisches Schaudepot eingerichtet, das dem Betrachter einen einzigartigen Einblick in sein Schaffen vermittelt.

Reading Ed Ruscha 
Kunsthaus Bregenz, bis 14. Oktober 2012 

Architekturmodelle Peter Zumthor 
KUB Sammlungsschaufenster bis 28. Oktober 2012
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