Von Odesa nach Berlin

Ein gemaltes Zeichen der Solidarität

No. 01/2025

Kriegsführung geschieht auf verschiedenen Ebenen – unter Beschuss stehen auch die Museen, stiften ihre Schätze doch den Menschen eine kulturelle Identität, derer man sie berauben möchte. Von Odesa nach Berlin heißt die Schau in den Berliner Gemäldesammlungen, die drei Jahre nach dem Angriffskrieg durch Russland die Flucht von 74 Gemälden beschreibt, die rechtzeitig aus dem Odesa Museum für Westliche und Östliche Kunst evakuiert wurden.

Domenico Morelli, Porträt von Olena Tolstoi, 1875, Odesa Museum für Westliche und Östliche Kunst
Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin/Eigentum des Museums für Westliche und Östliche Kunst Odesa. Foto: Christoph Schmidt

Weltkunst hatte in der ukrainischen Hafenstadt Odesa einen festen Ort: Malerei und Grafik, Skulpturen und Porzellan von der Antike bis zur Gegenwart und vom Morgenland bis zum Abendland füllten 23 Säle eines prunkvollen Palais, das Mitte des 19. Jahrhunderts nach den Plänen des französischen Architekten Louis Otton entstand und 1923 zum Museum wurde. Neben den herausragenden Sammlungen altgriechischer Vasen und römischen Glases, Objekten aus China, Indien, dem Iran und der Mongolei, Porzellankunst aus Meissen, Sèvres oder Wedgwood rangieren die qualitätvollen Konvolute italienischer und niederländischer Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts sowie Werke europäischer Maler des 19. Jahrhunderts im Zenit der Kunstgeschichte.

Mit dem Kriegsausbruch 2022 geriet die Sammlung ins Visier der Kriegstreiber, die 40 Kunstinstitutionen auf ukrainischem Boden zerstörten. Dem entschlossenen Handeln und der internationalen Vernetzung des Museumsdirektors Ihor Poronyk verdankt es sich, dass ein Großteil der Bilder umgehend aus den Rahmen geschnitten wurde, in ein Übergangsdepot gelangte und über die Fluchtroute Berlin erreichen konnte, darunter biblische und mythologische Bilder, Genreszenen, Stillleben, Landschaften und Porträts von Franceso Granacci über Frans Hals, Cornelis de Heem, Pieter Boel hin zu Canaletto. Einige von ihnen erzählen Geschichten von Odesa, wie die Gräfin Tolstoi, die dort in eine Kunst sammelnde Familie eingeheiratet hatte und dem befreundeten Domenico Morelli Modell saß. Die widrigen klimatischen Bedingungen der Reise setzten den Bildern zu, weshalb eine umfangreiche Restaurierung vonnöten war. Nun werden sie im Einklang mit Werken aus der hauseigenen Sammlung präsentiert und setzen gemeinsam ein Zeichen der Solidarität. af

Von Odesa nach Berlin
Europäische Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts
Bis 22. Juni 2025
Gemäldegalerie, Berlin

Katalog zur Ausstellung
Text: Deutsch / Englisch / Ukrainisch
256 Seiten, 119 Abbildungen
Hirmer Verlag € 39,90

 

 

 

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