Wiener Realismus

Eine Frage der Haltung

No. 01/2025

Unter dem Titel Wiener Realismus nach 1950. Wirklichkeit als Haltung schlägt das Wien Museum ein Kapitel der Kunstgeschichte auf, das mit seinen gesellschaftspolitischen Botschaften bis in die heutige Zeit Aktualität besitzt. Vom 20. März bis zum 17. August werden die unterschiedlichen künstlerischen Positionen der Wiener Realisten präsentiert, die eines eint: ihre kritische Haltung gegenüber postfaschistischen Tendenzen und sozialen Missständen aller Art.

Alfred Karger, Piri im roten Kleid, 1961, Wien Museum, Foto: Wien Museum

Anfang der 1950er Jahre entstand in Wien eine Gegenbewegung zu den dominanten Kunststilen der Nachkriegszeit wie dem Phantastischen Realismus und der Abstraktion. Der Wiener Realismus ist als bildnerisches Statement einer linkspolitischen und gesellschaftskritischen Haltung zu verstehen, die sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung ausspricht. Als Pate dieses Realismus gilt der Existenzialismus, der ein neues humanistisches Menschenbild propagierte. Den Kern dieser losen Künstlergruppe bildeten Georg Eisler, Hans Escher, Alfred Hrdlicka, Fritz Martinz und Rudolf Schönwald, wobei sich bald Gleichgesinnte wie Rudolf Schwaiger, Adolf Frohner, Wilhelm Helfert, Anneliese und Alfred Karger anschlossen. Im Ausstellungsbetrieb rückten die Realisten ab 1960 ins Rampenlicht und wurden harsch für ihre angebliche Nähe zum propagandistischen „sozialistischen Realismus“ der Stalin-Ära wie auch zum Realismus der Nazidiktatur kritisiert. Zu Unrecht, denn ihr Realismusbegriff war ein ganz anderer. Nicht die Abbildung einer gesehenen Wirklichkeit, sondern die Realität der politischen und sozialen Situation selbst stand im Fokus der Gruppe.

Die aktuelle Wiener Ausstellung beleuchtet rund 30 Künstler und Künstlerinnen, die hinsichtlich ihrer Motivwelt und besonders auch in der Wahl der stilistischen Mittel stark divergieren. Das verbindende Element besteht in einer gesellschaftskritischen Haltung und im Interesse für die vielschichtigen Herausforderungen des Menschen. Themen rund um die Arbeit, wie beispielsweise der Schlachthof als Symbol eines existenziellen Ausgeliefertseins, der menschliche Körper, die Erotik, Gewalt und Verletzlichkeit bilden den Schwerpunkt dieser Schau, die von einem hochwertigen und themenvertiefenden Katalog begleitet wird. cv

Wiener Realismus nach 1950
Wirklichkeit als Haltung
20. März bis zum 17. August 2025
Wien Museum

Katalog zur Ausstellung
256 Seiten, 170 Abbildungen
Hirmer Verlag € 45,–

 

 

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