Kirchner, der „unruhige Lebenssucher“

No. 02/2023

„Ich traf auf einen wohlgebauten, aufrechten Jüngling größten Selbstbewusstseins, stärkster Leidenschaftlichkeit, der ein herrlich unbekümmertes Wesen hatte und geradezu von einer Wut zu zeichnen, zu malen besessen war.“ So erinnerte sich Fritz Bleyl an Ernst Ludwig Kirchner, der gemeinsam mit ihm, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff in Dresden studierte und 1905 die Künstlergruppe Brücke gründete. Wie sich Kirchner von dem „Jüngling“ zu einem der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts entwickelte, lässt die Ausstellung Ernst Ludwig Kirchner. Stationen anhand von seinen fünf wichtigsten ortsspezifischen Motivkreisen nachvollziehen.

Beginnend mit den Ateliers in Dresden, die für Kirchner ein Ort der ungezwungenen künstlerischen Entfaltung waren, wird als zweite Station das Großstadtleben in Berlin beleuchtet, wohin Kirchner 1911 übersiedelte. Durch diesen einschneidenden Perspektivwechsel betrat er mit seinen Straßenbildern künstlerisches Neuland. Parallel dazu fand Kirchner mit der Ostseeinsel Fehmarn einen Ort fernab vom hektischen Stadtleben und spürte dort in seinen Werken der Einheit von Mensch und Natur nach. Die Einberufung als Soldat zum Ersten Weltkrieg stürzte ihn in eine tiefe Lebenskrise. Psychisch schwer angeschlagen, malte er vermehrt Selbstbildnisse, die seinen desolaten Zustand offenbaren. 1917 hielt sich Kirchner das erste Mal länger in Davos auf und entdeckte in der bäuerlich geprägten Bergwelt einen neuen Lebensraum, der sich erneut in einer künstlerischen Neuorientierung manifestierte.

Über 90 Zeichnungen, Aquarelle, Druckgrafiken und Gemälde Kirchners sind noch bis 9. Juli zu Gast im Kunstforum Ingelheim – Altes Rathaus zu sehen. Die Begleitpublikation, herausgegeben von Ulrich Luckhardt, ist im Hirmer Verlag erschienen und kostet € 34,90. cs

Ernst Ludwig Kirchner. Stationen
Bis 9. Juli 2023
Kunstforum Ingelheim - Altes Rathaus

Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 34,90