Europa und die islamischen Künste
No. 02/2023
Für Henri Matisse kam die künstlerische „Erleuchtung“ aus dem „Orient“, Paul Klee wiederum formulierte angesichts des Lichts Nordafrikas und unter dem überwältigenden Eindruck der neuen Formen, Farben und Architektur von Tunis seinen viel zitierten Schlüsselsatz: „Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.“
Diese zwei prominenten Beispiele europäischer Kunstschaffender lassen die Faszination für die inspirierenden Ausdrucksformen der islamischen Künste zu Beginn des 20. Jahrhunderts erahnen, die bereits mit der Weltausstellung in London von 1851 die westliche Welt erfasst hatte. Dort begeisterten auch exotische Exponate, etwa aus dem indischen Mogulreich, das Publikum. Während zu dieser Zeit westliche Künstler überwiegend motivische Anleihen mit klischeehaften Darstellungen aus dem „Orient“ übernahmen, die vor allem durch den kolonialen Blick konnotiert waren, versuchten sich nachfolgende Künstlergenerationen davon zu befreien und neu zu orientieren.
Die Züricher Ausstellung Re-Orientations. Europa und die islamischen Künste 1851 bis heute veranschaulicht die Bedeutung der islamisch geprägten Kulturen für die bildenden und angewandten Künste in Europa anhand von rund 170 Werken, darunter Zeichnungen, Aquarelle, Gemälde, Fotografien, Objekte aus Metall, Keramik und Glas sowie Textilien, Videos, Installationen und ein Animationsfilm. Hierbei treten zum einen historische Werke der islamischen Künste in Dialog mit solchen westlicher bzw. westlich beeinflusster Künstler*innen der beginnenden Moderne, zum anderen werden auch zeitgenössische Arbeiten präsentiert. Besonders vor dem Hintergrund des Diskurses zum Islam ist das differenzierte Bild, das die Ausstellung und der Begleitkatalog aufzeigen, wertvoll für die Förderung des Verständnisses zwischen den Kulturen. um
Re-Orientations Bis 16. Juli 2023 Kunsthaus Zürich Katalog zur Ausstellung Text: Deutsch + Englisch (getrennte Ausgaben) Hirmer Verlag € 59,–