Grauen und Grinsen

Das satirisch-groteske Werk von George Grosz

No. 04/2022

Seine Abscheu gegen Kriegspatriotismus und die Enttäuschung, dass „den paar Stimmen, die sich gegen das Massenschlachten erhoben, keiner gefolgt war“, sein Ekel vor dem moralischen Verfall Deutschlands mit seinen schmierigen, feisten Kriegsgewinnlern auf der einen und den verkrüppelten Veteranen und Straßenhuren als Verlierer auf der anderen Seite – kaum einer spiegelt die Gesellschaft des Nachkriegs-Berlin in den 1920er Jahren mit solch entlarvender Bissigkeit wider wie der Künstler George Grosz.

George Grosz, Der Liebeskranke, 1916, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf © Estate of George Grosz, Princeton, N.J./VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Walter Klein

Für Grosz (1893–1959) war die Weimarer Republik die Fortsetzung des wilhelminischen Deutschlands mit einem verlogenen Bürgertum und blutrünstigen Militaristen. „Wenn Zeichnungen töten könnten: das preußische Militär wäre sicherlich tot […] seine Fratzen der Majore und Sergeanten sind infernalischer Wirklichkeitsspuk. […] Das Boxmatch zwischen Grosz und dem Jahrhundert des Soldaten aber sollten Sie nicht versäumen zu betrachten“, schrieb Kurt Tucholsky 1920 nach seinem Besuch der Ersten Internationalen Dada-Schau in Berlin, die von Grosz mitorganisiert worden war. Tucholskys Ausführungen bezogen sich auf die dort gezeigten Lithografien Gott mit uns, in denen Grosz den deutschen Militarismus ins Visier nahm – was ihn wegen „Beleidigung der Reichswehr“ vor Gericht brachte. Der Prozess schadete Grosz nicht, im Gegenteil: Sämtliche Tageszeitungen griffen die Geschichte um das Hin und Her der Beschlagnahmung und drohenden Vernichtung der Arbeiten auf und unterstützten Grosz in seinem Kampf um Kunstfreiheit.

Mit seinem „messerharten Zeichenstil“, der den Blick in den Abgrund mit bitterbösem Humor verbindet, hatte George Grosz bereits 1916 für Furore gesorgt. Sein Freund, der Dichter Theodor Däubler, nannte ihn in einem Zeitschriftenartikel das „futuristische Temperament von Berlin“. Grosz’ satirische Zeichnungen wurden bald in hoher Auflage in politischen Zeitschriften abgedruckt und brachten ihm gleichermaßen Bewunderer und Feinde ein. Kurz nach der Machtübernahme von Adolf Hitler 1933 wurde George Grosz zum „entarteten Künstler“ gebrandmarkt, im selben Jahr noch verließ er mit Frau und zwei Söhnen Deutschland und emigrierte nach New York.

Die Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart zeigt rund 100 Werke von George Grosz mit dem Schwerpunkt auf Arbeiten, die zwischen 1917 und 1933 vorwiegend in Berlin entstanden. Darunter sind etliche Leihgaben aus dem Metropolitan Museum in New York, für das die Schau ursprünglich konzipiert war, pandemiebedingt jedoch nicht stattfinden konnte. cv

Cover für George Grosz in BerlinGeorge Grosz in Berlin
Bis 26. Februar 2023
Staatsgalerie Stuttgart

Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 38,–