„Flieg endlich!“

Kussechte Short Storys von Etgar Keret

No. 04/2020

In 22 Kurzgeschichten zeigt Etgar Keret, was er drauf hat. Sein Blick auf die Tragödien des Alltags ist verstörend und ermutigend zugleich.

Eine Kurzgeschichte ist weder eine obligate Fingerübung, noch ein vom Himmel gefallener Hokuspokus. Ich würde sie eher als ein besonderes Schmankerl beschreiben, das von der Muse geküsste Autor*innen gern an ihre Leserschaft weitergeben. Bis Ende der 1960er Jahre wurde das Genre – vor allem in Europa – noch belächelt, ist aber seit ungefähr 50 Jahren eine Goldgrube im Verlagsgeschäft. Stephen Kings Aphorismus beschreibt diese besondere Literaturgattung wohl am besten: „Eine Kurzgeschichte ist etwas völlig andres, sie ist wie ein plötzlicher Kuss von einem Fremden im Dunklen.“ Ein Kuss, der gute Autor*innen noch besser werden und ihn von diesen ohne Reibungsverluste an die Leser*innen weitergeben lässt.

In Etgar Kerets Kurzgeschichtensammlung Tu’s nicht eröffnet ein Kuss die leicht frivole Erzählung „Erdnussflips“: „Es war ein langer Kuss, und wäre es nach mir gegangen, hätte er bis in alle Ewigkeit gedauert …“ – Ginge es nach mir, dann könnten auch Kerets Geschichten umfangreicher sein. Er erzählt brillant und sprudelt vor Einfällen über.

Etgar Keret wurde 1967 in Tel Aviv geboren und unterrichtet dort an der Filmakademie Drehbuchschreiben. Er ist mittlerweile einer der aufsteigenden Sterne in der israelischen Literaturszene. Keret löst alles ein, was für dieses Genre aufzubieten ist: Die Storys lassen sich – wie von Edgar Allan Poe gefordert – in einem Stück runterlesen. Die Plots entwickeln sich aus banalen Alltagssituationen und haben stets ein offenes Ende. Die unerwarteten Wendungen sind, wenn auch mal an den Haaren herbeigezogen, fantastisch. kh

https://www.aufbau-verlag.de/media/Upload/cover/9783351038151.jpgTu's nicht
von Etgar Keret
Aus dem Hebräischen von
Barbara Linner
Gebunden mit Schutzumschlag, 233 Seiten
Aufbau Verlag € 20,–