Franz von Defregger

Ein Münchner Malerfürst wird gefeiert

No. 04/2020

2021 jährt sich der Tod des Malers Franz von Defregger (1835–1921) zum 100. Male. Als Hauptvertreter der Münchner Schule war er in den 1870er bis 1890er Jahren der populärste Maler in der an hervorragenden Künstlern reichen bayerischen Hauptstadt.

Franz von Defregger, Die Kraftprobe (Detail), 1898, Belvedere, Wien, © Belvedere, Wien, Foto: Johannes Stoll

Zum Jubiläum zeigt das Innsbrucker Landesmuseum eine fulminante Retrospektive von Defreggers Werk. Sie umfasst alle Gattungen: Historienmalerei, christliche Themen, Genre, Landschaft, Akt und Porträt, sowohl Bilder, die zum Verkauf bestimmt waren, als auch intime Familienporträts. Die Ausstellungsmacher konnten fast alle Hauptwerke zusammentragen und mit bis dato unbekannten Arbeiten ergänzen. Das Besondere der Schau: Sie konfrontiert Defreggers dem Realismus verpflichtete Gemälde mit denen der Avantgarde wie Vincent van Gogh, Lovis Corinth und Ernst Ludwig Kirchner.

Defregger war wohlhabender Hoferbe, der das stattliche Tiroler Anwesen seines Vaters zwei Jahre lang selbst bewirtschaftete, ehe er den Bauernhof verkaufte, um sich ganz der Kunst zu widmen. Nach Stationen in Innsbruck und Paris studierte er an der Münchner Akademie der Künste, wo er von 1878 bis 1910 als Professor für Historienmalerei wirkte. Er machte aus seiner bäuerlichen Herkunft keinen Hehl, galt er somit doch als Experte für bäuerliche Sujets und als Erfinder der „Bauernmalerei“. Der Begriff war zunächst anerkennend gemeint, da er das Leben der Bergbauern in den Fokus rückte, das zuvor kaum als darstellenswert erachtet worden war. Nach 1900 bekam der Ausdruck jedoch zunehmend einen abwertenden Charakter. Mit dem Aufkommen avantgardistischer Strömungen warf man Defregger vor, eine idealisierte bäuerliche Lebenswelt darzustellen, in welcher der harte Arbeitsalltag stets ausgeblendet wird.

Seine Historienmalerei zur Geschichte des Tiroler Befreiungskampfes unter Führung von Andreas Hofer erregte wegen seines antifranzösischen Narrativs auch das Interesse in Berlin. Für die dortige Nationalgalerie malte Defregger 1876 das Gemälde Heimkehrender Tiroler Landsturm 1809. 1883 besuchte der menschenscheue König Ludwig II. den Maler in seinem Atelier – eine seltene Ehre. Noch im selben Jahr erhob der Monarch den Künstler in den Adelsstand. Defregger zählte neben Franz von Lenbach, Franz von Stuck und Friedrich August von Kaulbach zu den Münchner „Malerfürsten“. Weniger sein Professorengehalt als vielmehr die hohen Einkünfte durch den Verkauf seiner begehrten Werke und anfallende Copyrightgebühren erlaubten es ihm, auf großem Fuße zu leben. Georg von Hauberrisser, Architekt des Münchner Rathauses, erbaute seinem Freund in der Königinstraße 31 eine Villa im Stil der Florentiner Renaissance.

Der begleitende Katalog dokumentiert auch die Vorliebe Adolf Hitlers für Defregger, der für seinen Berghof in Berchtesgaden und das geplante „Führermuseum“ in Linz Gemälde des Künstlers sammelte. Dieses Interesse des Diktators führte nach 1945 dazu, dass Defreggers Kunst zeitweise als „Nazi-Kitsch“ diffamiert wurde.

Den Kuratoren war es wichtig, auch den unbekannten Defregger zu zeigen, der Menschen anderer Kulturkreise ohne kolonialistische Überheblichkeit porträtiert, wie bei dem Bildnis eines Afrikaners von 1862. Es ist mit hoher Sensibilität für die Würde des Dargestellten gemalt: Seine prominente Präsentation ist ein kleiner Beitrag zur Black-­Lives-­Matter-­Bewegung. wr

Cover für DefreggerDefregger. Mythos - Missbrauch - Moderne
11. Dezember 2020 bis 11. April 2021
Tiroler Landesmuseum, Innsbruck
Ausstellungskatalog
Hirmer Verlag € 45,-