Himmel und Erde
Rare Schätze einer fast vergessenen Tradition
No. 04/2020
Gott bitten und danken war über Jahrhunderte die einzige Möglichkeit der Gläubigen, in schweren Zeiten das persönliche Schicksal zu lenken und zum Guten zu wenden. Je nach Anlass – Krankheit und Leid oder zum Dank für Genesung oder gar ein Wunder – kauften sie bei Lebzeltern Votivgaben aus Bienenwachs, um sie in der Kirche zu opfern.
Himmel und Erde waren und sind die Adressaten der Lebzelter, die „Wax und Honig“ erzeugen, wie ein Prediger 1699 beschrieb: „das erste wird fast mehrentheils zu Gottes Ehr angewendet: das andere brauchen die Lettzeltner für Schlecker-Bissel des Menschlichen Appetits.“ Während die „Schlecker-Bissel“ etwa in Form von Honig- oder Lebkuchen zu den irdischen Freuden gehören, lassen sich aus Bienenwachs Gegenstände für den kirchlichen Gebrauch herstellen: Kerzen und sogenannte „Verlöbnisse“, die Bittsteller in die Opferstöcke und damit in Gottes Hand legten: kunstvoll gestaltete Figuren von Miniatur- bis Lebensgröße, Körperteile, Herzen und Kränze bis hin zu Häusern und Kirchen aus honiggelbem, weiß gebleichtem oder rot überzogenem Wachs.
Hans Hipp, der als Lebzelter in vierter Generation in Pfaffenhofen a. d. Ilm eine Familientradition fortführt und den familieneigenen Bestand um zahlreiche Holzmodeln und Votivgaben aus ganz Süddeutschland ergänzte, stellt in einer erstmaligen Publikation zu diesem Thema eine altbayerische Glaubenspraxis vor, die in der Barockzeit bei Wallfahrten eine Blüte erlebte. Die Verknüpfung der „Wachsbossiererkunst“ mit persönlichen Schicksalen einzelner Votanten, die in Mirakelbüchern der Wallfahrtskirchen gelistet sind, geben einen spannenden Einblick in früheres Leben und die hohe Kunstfertigkeit einer fast vergessenen Tradition. af
Wachs. Zwischen Himmel und Erde von Hans Hipp Vorwort von Nina Gockerell 384 Seiten, 200 Farbabbildungen Premiumausgabe: Gebunden, Leinen mit Schutzumschlag, Lesebändchen Hirmer Verlag € 49,90