Farbe und Licht

Die Stimme der Avantgarde

No. 01/2018

In den 1910er Jahren wandte sich eine Gruppe von Malern vom Gegenständlichen ab, hin zum sogenannten Orphismus, der reinen Farbmalerei. Damit löste sie in der Kunst eine Revolution aus, die der Abstraktion den Weg bereitete. Das Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museum vereint noch bis zum 2. April in der Ausstellung Stimme des Lichts mit Sonia und Robert Delaunay, Kandinsky, Klee, Kupka, Léger, Macke, Picabia u.v.m. einen ganzen „Chor“ von Künstlern, die der europäischen Malerei neue Ansätze lieferten.

Robert Delaunay, L’Equipe de Cardiff (Die Mannschaft von Cardiff), 1913, Pinakothek der Moderne, München

Farbe und Form waren die beiden Pole der Malerei, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Maler der europäischen Avantgarde zu neuen Bildfindungen bewegten. Während die Faszination an der Form den Kubismus (abgeleitet von lat. cubus = Würfel) hervorrief, wurde die Malerei mit zerlegter, geschichteter Farbe als „Orphismus“ bezeichnet, in Anlehnung an eine mythologische Figur aus der griechischen Antike mit einer besonderen Begabung. So bestechend wie Orpheus, der sagenhafte Sänger, seine Leier spielte und damit Steine und Tiere zu verzaubern wusste, machten sich die Künstler bis zum Ersten Weltkrieg mit einer ungeheuren schöpferischen Kraft die „reine“ Farbe zunutze, um das auszudrücken, was unter der Oberfläche lag: die Stimmung, das Gefühl, die Wahrnehmung des Unsichtbaren.

Dass der Umgang mit Farbe und infolge Licht ganz unterschiedlich ausfallen kann, lässt sich exemplarisch in der Ausstellung und dem umfassenden Begleitkatalog, der ersten deutschsprachigen Publikation zu diesem Thema, nachvollziehen.

Die Stationen „Orphismus, reine Malerei“, „Stimme des Lichts“, „Malerei der reinen Farbe“, „Idee der Form“ und „Rhythmische Simultaneität“ zeigen hochkarätige Exponate, darunter die in Spektralfarben zerlegten Fensterbilder von Robert Delaunay, die futuristisch konstruierte Serie Studio della luce eines Giacomo Balla, emotionale Farbkompositionen des Blauen Reiter oder die bunt rotierende Hommage an Apollinaire von Marc Chagall, der damit die Keimzelle des Orphismus in Paris verortete. Denn der Wortschöpfer dieses Begriffs war der Dichter und Kritiker Guillaume Apollinaire, der anlässlich einer Ausstellung der Section d’Or in der Pariser Galerie La Boétie im Jahr 1912 vortrug: „Die Werke der orphischen Maler sollen ein ungetrübtes ästhetisches Wohlgefallen hervorrufen, zugleich aber eine sinnfällige Konstruktion und eine sublime Bedeutung, das heißt: das Sujet wiedergeben.“ Damit bezog er sich auf das Werk Delaunays, hier u.a. repräsentiert durch die Mannschaft von Cardiff, das mit der lyrischen Gestaltung von Rugbyspielern vor Riesenrad und Eiffelturm dem damals unbändigen Fortschrittsglauben eine Stimme verlieh. af

Cover für Stimme des Lichts
Stimme des Lichts
Delaunay, Appolinaire und der Orphismus
Bis 2. April 2018
Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen
Ausstellungskatalog
Hirmer Verlag € 49,90