Amerikaner in Paris

Schätze einer fruchtbaren Zeit

No. 02/2022

Für viele Amerikaner und besonders für Bildende Künstler ist Paris ein Sehnsuchtsort. Auffällig ist die große Zahl von amerikanischen Künstlern und Künstlerinnen, die in den späten 1940er und 1950er Jahren in der Stadt des Lichts lebten und arbeiteten, zu einer Zeit, als Paris als das Mekka der zeitgenössischen Kunst galt: Ed Clark, Beaufort Delaney, Claire Falkenstein, Sam Francis, Al Held, Paul Jenkins, Ellsworth Kelly, Joan Mitchell und Nancy Spero seien hier genannt. Die Liste all jener, die mindestens ein Jahr in Paris lebten, zählt nach jetzigem Kenntnisstand 240 Namen.

Ed Clark, The City, 1952, Collection of Melanca Clark, Detroit, Courtesy Hauser & Wirth. © Estate of Ed Clark. Foto: Hollister and Young, Michigan Imaging

Was hat führende US-Künstler*innen bewogen, nach Paris zu ziehen? Wie wurden sie in der dortigen Kunstszene aufgenommen? Und wie hat sich ihr Aufenthalt in Frankreich auf ihre und damit auf die amerikanische Kunst ausgewirkt? Antwort auf diese und weitere Fragen gibt jetzt der opulent ausgestattete Bildband Americans in Paris: Artists working in Postwar France in 1946–1962. Er enthält bahnbrechende kunstwissenschaftliche Essays, die beweisen, dass fast alle der beinahe 60 näher untersuchten Maler und Bildhauerinnen entscheidende Impulse in der französischen Metropole empfingen. Am Beispiel zahlreicher Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Druckgrafik und Fotos dieser Künstler wird erstmals umfassend der Beweis erbracht, dass die kreative Kunstszene von Paris die amerikanische Kunst nach 1945 maßgeblich prägte.

In den Augen gebildeter Amerikaner war das 1944 von der vierjährigen NS-Okkupation befreite Paris die Stadt von Pablo Picasso, Jean Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Juliette Greco und Gertrude Stein. Paris war allerdings nicht mehr das unangefochtene Zentrum der zeitgenössischen Kunst, wie es die Stadt seit Mitte des 19. Jahrhunderts gewesen war, aber noch immer bedeutend genug, um Künstler aus den USA und vielen Teilen Europas anzulocken.

Die Autoren des Buches erforschten die Akademien, an denen die meisten der US-Künstler studierten, die Galerien, in denen sie ausstellten, die billigen und meist schlechten Hotels an der Rive Gauche, in denen viele wohnten, den ästhetischen Diskurs, an dem sie aktiv teilnahmen, die Interaktion mit ihren europäischen Kollegen, und sie gehen der Frage nach, was es bedeutete, als amerikanischer Künstler im Ausland zu arbeiten. Erstmals werden in dem Band auch Zeitzeugeninterviews von Künstlern, Kritikern und Kunsthändlern veröffentlicht, welche das künstlerische Paris der Nachkriegszeit lebendig machen.

Amerikanische Kunststudenten erhielten Stipendien, wenn sie im Zweiten Weltkrieg als GI gedient hatten. Damit konnten sie ein oder zwei Jahre studieren, ohne in einem Nebenjob Geld verdienen zu müssen. Für Künstlerinnen wie Carmen Herrera gab es solche Stipendien nicht. Sie stammten entweder aus wohlhabenden Familien oder mussten ihren Unterhalt in Paris durch verschiedenste Tätigkeiten selbst bestreiten. Die Räume, in denen die Amerikaner gemeinsam mit ihren französischen und europäischen Kollegen ausstellen konnten, waren heiß begehrt. Zu ihnen zählten der 1903 gegründete Salon d’Automne und der 1945 eröffnete Salon de Mai. Diese beiden Galerien brachten amerikanische Künstler nicht nur mit französischen zusammen, sondern führten auch dazu, dass führende Kunstkritiker auf sie aufmerksam wurden. Der 300 Seiten starke Band mit 270 Farbabbildungen erscheint im Hirmer Verlag in englischer Sprache und ist erhältlich für € 49,90. wr

Cover für Americans in ParisAmericans in Paris
Artist working in Postwar France, 1946-1962
Hrsg. Debra Bricker Balkan,Lynn Gumpert
Text: Englisch
300 Seiten, 270 Abbildungen in Farbe
Hirmer Verlag € 49,90