Schmerz macht hart, aber nicht lieblos

No. 03/2021

Mit ihrem Debütroman Bestiarium platzierte sich die taiwanisch-amerikanische K-Ming Chang als Finalistin des Lambda Literary Award und stand 2020 auf der Longlist für den First Novel Prize des Center for Fiction sowie für den PEN/Faulkner Award. Ihre fantastische Erzählung über chinesische Einwanderer, die um ihre Selbstbestimmung kämpfen, queere Liebe und Familie spielt in einem Amerika, in dem die Straßen zu Flüssen und diese zu Frauen werden.

In Bestiarium müssen wir mit allem rechnen. Denn K-Ming Chang präsentiert uns eine Welt, in der sich alles verwandelt. Vor allem aber die Frauen, die immer wieder zu Tieren werden. In dieser vom Magischen Realismus geprägten Geschichte leben alle Figuren ihre Wünsche und Begierden aus. Das Animalische in ihnen wird zum Leben erweckt: „Heute hat das Loch in meinem Rücken einen Schößling geboren … Es war ein Schwanz, orange mit schwarzen Ringen.“ Das gefährliche Tier bestimmt nun das Tun. Wie bei Jorge Luis Borges oder Isabel Allende verschwindet allmählich die Grenze zwischen Realität und Fantasie. Und schon befinden wir uns in einem großen Roman, der von den Schicksalen dreier chinesischer Frauen-Generationen erzählt. Sie leben in Arkansas, und die Gewalt ist dort Teil ihres Alltags. Sie boxen sich durch und werden dabei immer widerstandsfähiger. Denn der Schmerz macht sie hart, aber nicht lieblos. Die Autorin schickt die in magischem Drachenblut Getränkten wie verwegene Ritterinnen in den Kampf um die Liebe, vor allem die queere.

Sprachlich schreitet die 1998 in Kalifornien geborene Chang nonchalant über Grenzen hinweg. Sie mixt chinesische Dialekte und dekonstruiert die Sprache, um neue Vokabeln und bizarre Verschränkungen zu schaffen. Sie dichtet, fabuliert und brüllt uns an. Mögen uns manchmal auch Szenen wie Faustschläge treffen: Chang bettet das Wunderbare in den Alltag. kh

BestiariumBestinarium
Roman
Von K-Ming Chang
Aus dem Englischen übersetzt
von Stefanie Jacobs
Gebunden, 288 Seiten
Hanser Berlin € 24,-