Sand

Ressource, Leben, Sehnsucht

No. 03/2023

Sand ist bunt, Sand lässt sich zählen, auf Sand wird gebaut, Sand ist nicht unendlich – die Überraschungen in der Ausstellung Sand. Ressource, Leben, Sehnsucht sind so variantenreich wie die Ideen und Ausdrucksmittel der 16 internationalen Künstler*innen, die ihre Werke im Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg zeigen. Von der Makrofotografie über die Videoinstallation bis zur Großskulptur bedienen sie ein Spektrum an diskussionswürdigen Themen, darunter Sand in seiner emotionalen Bedeutung, als Lebensraum oder als Rohstoff für die unaufhaltsam boomende Bauindustrie.

Jochem Hendricks, 9.114.182 Sandkörner, 2008–2012 © Jochem Hendricks, VG Bild-Kunst, Bonn 2023; Foto: Wolfgang Günzel

Nicht einmal 2 Millimeter misst ein einzelnes Sandkorn, doch seine Rolle, die es in der Welt spielt, ist gigantisch, verraten die weiten Wüstenlandschaften von Jacques Pugin oder auch der fotografische Blick von Yann Arthus-Bertrand auf das 2003 im Persischen Golf initiierte Gigaprojekt The World. Längst befinden sich die mit 450 Millionen Tonnen Sand 300 künstlich aufgeschütteten Inseln im Verfall und trüben das blaugrüne Meer. Sand ist allerdings nicht gleich Sand. Je nach Region und Strand unterscheidet sich die Zusammensetzung, offenbaren etwa Ole Bielfeldt und Jenny Natusch mit ihren farbenprächtigen Mikroaufnahmen von Muschel- oder Korallenstückchen und Algen – und mittendrin Mikroplastik. Wenn auch unsichtbar in Materialien wie Glas, Beton und Plastik verarbeitet, bestimmt Sand unseren Alltag – seine Bedeutung, die er für uns hat, bringt Jochem Hendricks auf ein menschliches Maß, indem er Tausende von Sandkörnern abzählt und in einem Glasbehälter vor Zugriff verschließt. Mit Sand lässt sich bauen, aber auch eine Lebenswelt scheiden, wie bei den Kindern der Galil, einer jüdisch-arabischen Schule im Film von Laurent Mareschal, die die Siedlungspolitik und Rollenverteilung unwillkürlich adaptieren, die ihnen die Erwachsenen vorzeichnen. Und dieses Ringen um Lebensraum äußert sich weltpolitisch im Ringen um Sand, denn der Welt geht der Sand aus. Wie vielfältig nicht nur die Kunst, sondern auch das Verhältnis von Mensch und Natur aus unterschiedlichen sozialen und ökologischen Blickwinkeln ausfallen kann, betrachtet der Katalog zur Ausstellung in essayistischen Beiträgen (Hirmer Verlag € 30,–). af

Sand. Ressourcen, Leben, Sehnsucht
Bis 11. Februar 2024
Museum Sinclair-Haus, Bad Homburg vor der Höhe

Katalog zur Ausstellung
Premiumausgabe:
Blauer-Engel-Zertifizierung, Recycling-Kunstdruckpapier, Schweizer Broschur 
Hirmer Verlag € 30,–