Rembrandt

Höhepunkte am Lebensende

No. 04/2014

Von Jonathan Bikker

Rembrandts letztes Lebensdrittel war für den Künstler überaus turbulent und von herben beruflichen Rückschlägen geprägt – etwa seinem Bankrott im Jahr 1656 und der Entfernung seines Gemäldes aus dem Rathaus im Jahr 1662. Auch persönliche Verluste fielen in diese Zeit: der Tod seiner Geliebten 1663 und der seines Sohnes 1668.

Einen Einblick in Rembrandts Persönlichkeit in seinem letzten Lebensabschnitt liefert Arnold Houbraken, der sich auf die Erinnerungen von Menschen stützte, die Rembrandt in seinen späteren Jahren gekannt hatten. In seinem 1718 publizierten ersten Band seiner Künstlerbiografien schrieb er, im Herbst seines Lebens habe er [Rembrandt] fast nur noch mit „gemeinen Leuten“ und mit solchen, die mit Kunst umgingen, verkehrt, denn – hier zitiert er den Künstler: „Wenn ich meinen Geist zerstreuen will, so suche ich nicht Ehre, sondern Freiheit.“

Rembrandt, Die Vorsteher der Tuchmacherzunft, 1662, Rijksmuseum Amsterdam

Rembrandt, Die Vorsteher der Tuchmacherzunft, 1662, Rijksmuseum Amsterdam

Wenn auch Rembrandt nicht der Liebling der mächtigsten Größen von Amsterdam wie Andries und Cornelis de Graeff gewesen sein mag, so fehlte es ihm während der 1650er und 1660er Jahre dennoch nicht an Aufträgen. Houbraken zufolge mussten seine Auftraggeber lange auf ihre Bilder warten und noch „mehr bitten als bezahlen“. Die Analyse hat gezeigt, dass die totale Fläche seiner Historienbilder in der ersten Hälfte der 1660er Jahre nicht weit unter der des populären Ferdinand Bol lag, während die Quadratmeterzahl seiner Porträts dessen Produktion sogar übertraf. Zu den von Rembrandt in diesen Jahren Porträtierten gehörten Menschen, die zweifellos nicht am Rande der Gesellschaft standen, darunter die Vorsteher der Tuchhändlerzunft, bekannt als „Die Staalmeesters“. Die hohen Preise, die Rembrandt für seine Gemälde der späten Schaffensphase verlangte und erhielt, belegen sein ungeschmälertes Ansehen, zumindest in einigen Kreisen. Obwohl Rembrandt bis zu seinem Tod 1669 weitermalte, scheinen seine letzten Jahre finanziell besonders düster gewesen zu sein. Ein Dokument aus dem Jahr 1666 informiert uns, dass sein Vermieter juristische Schritte einleitete, da der Künstler seine Miete nicht mehr zahlte. Ein schwerer Schicksalsschlag traf Rembrandt 1668 mit dem Tod seines Sohns Titus im Alter von 27 Jahren. Im letzten Jahr seines Lebens hatte Rembrandt nur seine Tochter Cornelia bei sich, und seine finanzielle Situation war so verzweifelt, dass er seine Rechnungen nur mit Hilfe ihrer Ersparnisse bezahlen konnte.

Neuerungen statt Kompromisse

Dennoch schuf er unter diesen Bedingungen seine größten Werke. Statt Kompromisse einzugehen, verfolgte Rembrandt radikale maltechnische Neuerungen, eine naturalistische Schilderung der Welt und eine Wiedergabe der tiefsten menschlichen Gefühle. Vielleicht hatte Houbraken Recht mit der Bemerkung, dass das, was der Künstler im Herbst seines Lebens suchte, nicht Ehre, sondern Freiheit war.

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Der späte Rembrandt
12. Februar bis 17. Mai 2015 Rijksmuseum, Amsterdam
Katalog zur Ausstellung 
Hrsg. von G.J.M. Weber u. J. Bikker 
Übersetzt von Ingrid Hacker-Klier 
Hirmer Verlag € 45,–