Reingefallen!

Trau deinen Augen (nicht)

No. 03/2018

Die Gletscherspalte auf dem Asphalt droht uns zu verschlucken, der Holzschrank sieht aus, als blicke man durch eine Zerrbrille, der Bücherstapel entpuppt sich als Toilettenstuhl und das gefaltete Oberhemd ist aus Marmor: „Reingelegt!“ ruft das Gehirn dem Auge triumphierend zu – warum haben wir solch einen Spaß an Täuschungen?

Daniel Crooks, Phantom Ride (Filmstill), 2016, © Daniel Crooks

Schon seit der Antike nutzen Künstler die jeweils neueste Technik, um unsere Sehgewohnheiten, unsere Erfahrungen und Erwartungen aufs Glatteis zu führen. Auf hohem Niveau wird seither getrickst, geschummelt, getäuscht und manipuliert. War es früher die illusionistisch gestaltete barocke Kirchendecke, die geradewegs in göttliche Sphären zu führen schien, so sorgen heute interaktive Virtual- Reality-Arbeiten für das faszinierende Spiel mit der Wahrheit. Der Künstler übernimmt dabei die Rolle des Zauberers, der sich die Neugier unseres Gehirns zunutze macht. Nach der Täuschung und dem Erkennen des Vorhersageirrtums kommt der Aha-Effekt, der wie ein guter Witz unsere grauen Zellen belohnt. So öffnet uns die Illusionskunst Türen, die zu einer ganz neuen Sicht der Dinge führen kann, oder wie es der Maler Pablo Picasso formulierte: „Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit begreifen lehrt.“

Der immens große Publikumserfolg der Münchner Ausstellung Lust der Täuschung spricht für unsere Freude an der Wahrheitsfindung. Die Schau ist ein unterhaltsamer und zugleich lehrreicher Parcours der Irreführungen von der Antike bis heute. Der dazu erschienene Ausstellungskatalog vertieft mit hochinteressanten und gut  verständlichen Beiträgen aus den Neurowissenschaften sowie der Kunst-, Kultur- und Mediengeschichte die Wirkung der zahlreich abgebildeten, verblüffenden „Fake Views“. um

Cover für Lust der TäuschungLust der Täuschung
Bis 13. Januar 2018
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München
Ab 22. Februar 2018
Ludwig Forum f. Int. Kunst, Aachen

Ausstellungskatalog
Hirmer Verlag € 39,90