Queentasse und Blumen

Adams Vertreibung aus dem Paradies

No. 02/2018

Immer wenn Adams Vater von seinen Dienstreisen zurückkehrt, schenkt er seinem Sohn farbiges Vinyl und seiner Frau Blumensamen. Doch auf einmal ist alles anders: „Dass sich zwischen meinen Eltern etwas verändert hatte, spürte ich zum ersten Mal an dem Tag, an dem mein Vater mir aus London eine Tasse mit der Queen drauf mitbrachte und meiner Mutter einen Blumenstrauß.“

In Der rote Swimmingpool erzählt Natalie Buchholz in wunderbar trockener Art die Geschichte einer Münchner Bilderbuchfamilie, die Knall auf Fall durch die Trennung der Eltern auseinandergerissen wird. Der 17-jährige Ich-Erzähler steht plötzlich allein da. Die schöne Mutter flieht nach Paris, der erfolgreiche Vater verschwindet völlig von der Bildfläche – die paradiesischen Zeiten sind für Adam vorbei. Sein biblischer Name suggeriert Ungemach, einerseits. Andererseits verspricht er Erkenntnisgewinn. Und so trifft der junge Mann in seiner Verzweiflung eine schier katastrophale Entscheidung.

Die 1977 geborene Natalie Buchholz erzählt in ihrem Roman eine Coming-of-Age-Geschichte. Einfühlsam zeichnet sie das Erleben des jungen Protagonisten und beschreibt gleichzeitig nüchtern und schonungslos das Handeln der Erwachsenen. Es gelingt ihr, den Leser in die Gedanken- und Gefühlswelt Adams hineingleiten zu lassen. Sein stark oszillierender Reifeprozess nimmt uns vor allem deshalb mit, weil Buchholz viel daran liegt, die Erwachsenen nicht als tumbe Mitmenschen agieren zu lassen. So übt sie Nachsicht, um der Einsicht willen. Es ist ergreifend, wie sie die Verlorenheit des Protagonisten in einer Badeszene beschreibt: „Dann öffne ich die Augen … Überall ist er mein Vater. Selbst unter Wasser. Es scheint keinen Ort zu geben, an dem ich nicht an ihn denken muss. … Wie er es hinkriegt, mich einfach aus dem Leben zu kicken.“ Und ebenso bewegend, wenn Adam sich mit seinem Vater ausspricht: „Er sieht mich hoffnungsvoll an. Aus seinen Augen tropft milchige Tränenflüssigkeit. Sie rinnt ihm die Backe herunter und hinterlässt eine Spur bis zu den Mundwinkeln. Zum ersten Mal fühle ich mich meinem Vater gegenüber stark.“ Der rote Swimmingpool ist der Debütroman einer Autorin, die auch Lektorin ist. Sie versteht ihr Handwerk, doch ihrer Beherztheit wegen wird sie bald aus Wolfgang Herrndorfs Schatten heraustreten. Wetten? kh

Der rote SwimmingpoolDer rote Swimmingpool
Von Natalie Buchholz
Roman
288 Seiten, gebunden
Hanser Berlin € 19,–