„Nicht wie die Ölgötzen“

No. 02/2013

Anton Graff (1736–1813) war der führende Porträtmaler der Aufklärung im deutschsprachigen Raum. Ihm verdanken wir einzigartige, lebensnahe Bildnisse vieler großer Persönlichkeiten dieser Zeit. Erstmals seit fünfzig Jahren wird anlässlich seines 200. Todestages eine große Retrospektive in Winterthur und anschließend in Berlin ausgerichtet.

Anton Graff , Selbstbildnis mit Augenschirm, 1813

Anton Graff , Selbstbildnis mit Augenschirm, 1813

Er begrüßte es, wenn seine Gegenüber „nicht wie Oelgötzen regungslos dasitzen, oder wohl gar interessante Gesichter schneiden“, jedoch trieb es Friedrich Schiller mit seiner Unruhe ein wenig zu weit. Dieser sei während der Sitzungen zappelig gewesen und verursache die „grösste Noth“, berichtete sein Porträtist Anton Graff . Nachdem er jedoch den Dichter dazu gebracht hatte, ihm Passagen aus seinem Werk Don Carlos vorzutragen, entstand ein Bildnis, das Schiller, der „für gewöhnlich seinen Kopf etwas trotzig zurückgebogen trug“, in einer entspannten und nachdenklichen Haltung zeigt. Von den Zeitgenossen wurde Graff für die Gabe, seinen Modellen „in das Innere der Seele“ zu blicken – wie es der Philosoph Johann Georg Sulzer ausdrückte – bewundert. Es gab kaum einen großen Dichter, Denker und Monarchen in Deutschland, der sich nicht von ihm auf die Leinwand bannen ließ, so auch Preußens König Friedrich der Große. Sein bekanntestes Porträt in Uniformrock stammt ebenfalls aus Graff s Hand und wurde von Zeitgenossen als verblüffend authentisch beurteilt. Graffs Porträts bestechen jedoch nicht nur durch ihre große Ähnlichkeit mit dem Modell, sondern spiegeln auch den Charakter des Porträtierten wider. Damit schenkte er der Nachwelt unschätzbare Zeugnisse der großen Persönlichkeiten seiner Zeit. Anton Graff stammte aus Winterthur. Nach dem Besuch einer Zeichenschule führte er seine Ausbildung in Augsburg, Ansbach und Regensburg fort. Im Alter von 30 Jahren wurde er in Dresden kurfürstlich-sächsischer Hofmaler und Mitglied der Akademie. Mit über 2000 Gemälden und Zeichnungen war er zwar ein äußerst produktiver Maler, wurde aber dennoch der Flut an Aufträgen nicht immer Herr: Selbst Prinzen mussten sich dem Diktat der Warteliste beugen. Graffs Werk schließt auch über 80 Selbstporträts ein, die beiden Sammlern hochbegehrt waren. Sein letztes Bild Selbstbildnis mit Augenschirm entstand nur wenige Monate vor seinem Tod und gilt als sein bekanntestes Selbstbildnis. um

9783777420509_3DnAnton Graff. Gesichter einer Epoche
Museum Oskar Reinhart in Winterthur Bis 29. September 2013 
Alte Nationalgalerie Berlin 25. Oktober 2013 bis 23. Februar 2014 
Hg. Marc Fehlmann, Birgit Verwiebe
Katalog Hirmer Verlag € 39,90
→ Ausgezeichnet als »Best Art Book«