Neumeisterlich

"Wie Fliegenleim"

No. 01/2019

Von der zeitgenössischen Kunst erwartet man, dass sie provoziert. Die Verblüffung ist jedoch umso größer, wenn heutige Bilder, die in altmeisterlicher Art gemalt sind und auch thematisch aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen, mit unseren Erwartungen spielen. Der Maler Michael Triegel, Vertreter der Neuen Leipziger Schule, versteht dies meisterhaft.

Michael Triegel, Amaryllis, 2016, Courtesy Galerie Schwind, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Michael Triegel, der mit seinem Porträt von Papst Benedikt XVI. berühmt wurde, stellt sich selbstbewusst in eine Art Künstlerwettstreit mit Raffael, Tizian, Michelangelo und Dürer, denn „wenn mir vor Bewunderung die Hände gelähmt wären, bräuchte ich nicht Maler zu sein“. Gekonnt nutzt er alte Techniken, um neue Inhalte zu transportieren. Dabei sucht er nicht die vordergründige Provokation, sondern lädt uns zu einer Zeitreise ein, indem er Stoffe aus der christlichen Ikonografie sowie der antiken Mythologie aufgreift und verfremdet. Statt Antworten zu geben, hinterlassen seine Gemälde Fragen und Rätsel, deren Auflösung der Maler dem Betrachter überlässt – voraussetzend, dass man in den Inhalten altmeisterlicher Gemälde einigermaßen sattelfest und mit ihren Deutungen vertraut ist. Wie „Fliegenleim“ setzt er seine Bildersprache ein: „Die Leute sollen daran kleben bleiben und mit der Zeit vielleicht sehen, was hinter der schönen Oberfläche schlummert oder lauert.“

Auch wenn die kirchlichen Themen in Triegels Bildern vorherrschen, so ist seine Bandbreite viel umfangreicher, wie mythologische Sujets, Stillleben, Porträts, Zeichnungen, Landschaftsaquarelle und Grafiken des umfangreichen Katalogbuches über seine Arbeiten der letzten Jahre zeigen. um

Cover für Michael Triegel

Michael Triegel.Discordia Concors
25. Mai bis 1. September 2019
Museum de Fundatie, Zwolle/Niederlande
Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 39,90