Michele Melillo

Zeichnungen gegen den Strich

No. 01/2013

Von Cornelia Gockel

Michele Melillo, ohne Titel (LC) Foto: Rainer Herrmann, courtesy: Nicole Gnesa

Michele Melillo, ohne Titel (LC) Foto: Rainer Herrmann, courtesy: Nicole Gnesa

Ein Bildnis der Anna von Österreich thront auf einem schmalen Sims über dem Schreibtisch der Galerie. Etwas schmallippig blickt die Monarchin in ihrer hochgeschlossenen Robe mit dem üppigen Spitzenkragen. „Sie ist die Mutter von Ludwig XIV., dem Sonnenkönig“, erklärt Michele Melillo. Er hat das Bildnis nach einem alten Gemälde in Öl auf Leinwand mit gestischen Pinselstrichen in zarten Lachstönen gemalt. Wer der Künstler war, kann Michele Melillo nicht mehr genau sagen. Aber ansonsten verfügt er über hervorragende Kenntnisse der europäischen Malerei. Denn Melillo ist einer der Künstler, die sich nicht nur für das Werk ihrer Zeitgenossen interessieren, sondern die gesamte Geschichte der Kunst von der steinzeitlichen Höhlenmalerei in Lascaux bis hin zu Neo Rauch, dem Wegbereiter der Neuen Leipziger Schule, im Blick haben. Das kunsthistorische Wissen kann für einen jungen Künstler auch manchmal zu einer Last werden. Denn wie will man sich selbst als Maler zwischen den Heroen der Kunstgeschichte positionieren?

Seine Ausstellung À Rebours in der Galerie Nicole Gnesa ist ein vielversprechender Versuch, spielerisch mit der Bürde umzugehen. Zu sehen sind vor allem Zeichnungen in Graphit und Ölkreide von 2012, die seiner Begeisterung für den Barock entspringen. So begegnet man neben Anna von Österreich, den Büsten von Musikern mit wallender Mähne, den Affen aus Tiepolos Würzburger Fresko der Kontinente und natürlich Bildnissen Ludwig XIV. Ausgehend von den historischen Vorbildern zeichnet Melillo mit leichter Hand, verliert sich in ornamentalen Kreisen und Kringeln, um die ausufernde Linienführung wieder in einer Rahmung einzufangen. Souverän kombiniert er Motive des Barock und Rokoko mit modernem Formenvokabular und volkstümlicher Ornamentik. Den zarten, verspielten Graphitzeichnungen setzt er abstrakte Schraffuren in Ölkreide entgegen, die sich in ihrer Farbigkeit an den Pastelltönen des Rokoko orientieren. „À Rebours“ – zu Deutsch „gegen den Strich“, hat er seine Ausstellung in Anlehnung an den Roman des französischen Autors Joris-Karl Huysmans genannt, der sich damit vom Realismus verabschiedete und sich zur literarischen Dekadenz bekannte.

Der 1977 in Fürstenfeldbruck geborene und in München und Berlin lebende Michele Melillo hat Malerei bei Prof. Axel Kasseböhmer an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert. Nach seinem Diplom arbeitete er dort als Assistent. Mit der Ausstellung der Zeichnungen von Michele Melillo eröffnet die Kunstberaterin Nicole Gnesa ihre neue Galerie im Glockenbachviertel. Pro Jahr will sie künftig fünf Ausstellungen mit jungen, aber auch bereits etablierten Künstlern in ihrem Raum im Innenhof des „Kolosseums“, einem Wohnblock aus den frühen 1960er Jahren machen. Erfahrungen auf dem Kunstmarkt hat sie bereits als langjährige Mitarbeiterin und Direktorin der Galerie Daniel Blau gesammelt. Der Kontakt zwischen Melillo und der Galeristin entstand auf Vermittlung eines Künstlerkollegen. Gnesa besuchte ihn daraufhin in seinem Atelier in der Akademie und war vor allem von seinem zeichnerischen Werk sofort begeistert. „Micheles Arbeiten haben etwas Frisches, Neues, aber auch zugleich Tiefgründiges“, erzählt die Galeristin: „Als ich die Zeichnungen von Michele gesehen habe, wusste ich sofort – das wird meine erste Ausstellung.“

À Rebours - Galerie Nicole Gnesa 
Kolosseumstraße 6, 80469 München 
Bis 27. April Mittwoch – Freitag, 14 – 20 Uhr