Masse, Licht und Raum
Die Moritzkirche in Augsburg
No. 04/2018
Eine Kirche ist ein besonderer Ort. Gebaut, um Gottesdienste zu feiern oder für das stille Gebet, inspiriert der Innenraum Gläubige sowie Besucher und setzt innere Prozesse in Gang. Die Neugestaltung der tausendjährigen Moritzkirche im Zentrum Augsburgs offenbart exemplarisch, wie der britische Architekt John Pawson alten Bestand ins Licht zu rücken weiß und Architektur, Kunst und Spiritualität zu einer Einheit finden.

Moritzkirche, Augsburg, © Hufton+Crow 2018
Das Mauerwerk zeigte Risse, die Wände waren verrußt und die Technik war veraltet, als die Pfarrgemeinde der Augsburger Citykirche 2008 den Londoner Architekten John Pawson kontaktierte und ihm ihre Wunschliste zusendete: Es ging darum, „das volle innere Wirken der Kirche“erfahrbar zu machen, die mittlerweile in „Ruß, Staub und dunklem Mauerwerk“ versunken sei, und um eine „Auflösung fester Strukturen“. Wenige Wochen später besuchte Pawson die dreischiffige Basilika romanischen Ursprungs, die nach Veränderungen in der Liturgie und mehrfachen Bränden, zuletzt den verheerenden Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst worden war, und entwarf ein Konzept, zu dem ihn Zisterzienserklöster angeregt hatten. Ganz anders als die prachtvollen Ausgestaltungen der Barockmeister Johann Jakob Herkommer oder Melchior Steidl im 18. Jahrhundert, etablierte er ein Zusammenspiel von „Masse, Licht und Raum“, das sich zwar einfach, aber voll „energetischer Fülle“ ausdrückt. Entstanden ist ein lichtdurchflutetes Gesamtensemble, das der historischen Bausubstanz Rechnung trägt, sich durch Klarheit und Symmetrie auszeichnet und zugleich die pastoralen und künstlerischen Funktionen berücksichtigt. Dazu gehört die strenge Ausrichtung eines jeden Raumelements auf die Apsis, die in Anspielung auf die Vision des „Himmlischen Jerusalem“ in einen Schauplatz von Klang und Licht verwandelt wurde. Besonders wirkungsvoll kontrastieren zu jenem makellosen Weißraum das dunkle Holzmobiliar des Hauptschiffs sowie die vielfältigen monochromen oder sparsam gefassten Figuren entlang der Seitenwände, die sich dem Blickfang im Chorraum ganz klar unterordnen: dem stark gestischen Christus Salvator – eine knapp 400 Jahre alte Kostbarkeit aus der Hand von Georg Petel –, der je nach Wetterlage und Tageszeit unterschiedlich ausgeleuchtet wird, aber immer Trost spendet. af
Ins Licht gebaut John Pawsons Neugestaltung der Moritzkirche Augsburg Text: Deutsch/Englisch 120 Seiten, 111 Farbabbildungen Leinen, Schutzumschlag Hirmer Verlag € 39,90