„Maria sucht dry tag ihr Kind“

Glasgemälde: Geschichte und Geschichten

No. 01/2020

Es geht um Selbstdarstellung, um „Fensterbettelei“, um Künstler, die hochangesehen oder als Ketzer gejagt wurden, um größenwahnsinnige und solide Auftraggeber, um Stars, die heute vergessenen Handwerkern zuarbeiteten, und um eine Kunst, die durch ihre Filigranität fast verschwunden ist: Hinter dem Ausstellungs­titel Lichtgestalten. Zeichnungen und Glasgemälde von Holbein bis Ringler verbirgt sich eine hochspannende Schau des Kunstmuseums Basel.

David Joris (?) / Kölnischer Meister, Personifikation der Caritas, um 1525–1550 © Historisches Museum Basel, Foto: N. Jansen

Nachdem man im 15. Jahrhundert dazu übergegangen war, Fensteröffnungen statt mit Leinwand, Pergament oder Papier mit kleinen Glasstücken zu schließen, die in Blei gefasst zu Butzenscheiben zusammengefügt wurden, begann man diese mit kleinformatigen Glasgemälden zu verzieren. Eine kostspielige Kunst, die überwiegend in Zunft- oder Ratsstuben, in Klöstern aber auch in Wirtshäusern oder betuchten Privathaushalten zu finden war. Vor allem in der Schweiz, in der die Glasmalerei im 16. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte, entwickelte sich für deren Finanzierung das Phänomen der Scheibenstiftung: Auf Anfrage des Empfängers wurde der Stifter zur Schenkung von Glasgemälden mit Wappen, Inschriften oder Bildbotschaften überredet, im besten Fall war dies ein Prestigegewinn für beide Seiten. Als Vorlage der Glasbilder dienten sogenannte Scheibenrisse, gezeichnete Entwürfe, die von namhaften Künstlern wie Hans Holbein d. J., Niklaus Manuel oder Tobias Stimmer für Glasmaler wie Antoni Glaser oder Balthasar Han angefertigt wurden. Von den einst weit verbreiteten Glasgemälden sind nicht viele übriggeblieben, von ihrer Vielfalt zeugen heute vor allem die Vorzeichnungen. Einige Beispiele, bei denen sowohl Glasgemälde als auch Vorlagen noch existieren, wurden in der Ausstellung zusammengeführt. Anhand des Ausstellungskataloges kann man nicht nur die Optik dieser Kunstschätze genießen, sondern sich über deren historischen Hintergrund sowie die Viten der Künstler und ihrer Auftraggeber informieren, wie beispielsweise über den Glasmaler Christoph Murer, der für die schillernde Persönlichkeit Leonhard Thurneysser tätig war. Dieser ließ Glasgemälde anfertigen, die Stationen seines bewegten Lebens – er interessierte sich u. a. für Mumien – darstellten und die Fensterfront seines Hauses in Basel schmückten. cv

Cover für LichtgestaltenLichtgestalten. Zeichnungen und Glasgemälde von Holbein bis Ringler
Bis 26. April 2020
Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett
Katalog zur Ausstellung
Hrsg. Ariane Mensger
Hirmer Verlag € 34,90