„Jeder kann durch Bewegung lernen“
No. 01/2023
Die 1954 in São Paolo geborene Brasilianerin Analívia Cordeiro ist eine transdisziplinäre und visionäre Künstlerin in höchster Vollendung. Die Ausstellung From Body to Code im ZKM/Karlsruhe feiert erstmals ihr Gesamtwerk.
Inspiriert von einem künstlerisch, politisch und mathematisch versierten Vater, einem Alexander-Calder-Mobile über ihrem Kinderbett und dem Triadischen Ballett von Oskar Schlemmer lernte Analívia Cordeiro früh Tanz bei berühmten Vorbildern. Noch bevor sie Architektur, Multimedia, Kommunikation und Semiotik studierte, eignete sie sich mit 17 Jahren eine Computer-Programmiersprache an, machte sich mit dem Zufallsprinzip vertraut und präsentierte zwei Jahre später ihre richtungsweisende Arbeit M3x3 – das erste Videokunstwerk Südamerikas und ein für das Jahr 1973 erstaunlich frühes computergestütztes Tanzvideo. Vom Computer errechnete Bewegungen werden von den Tänzerinnen auf einer Matrix von 3×3 Quadraten ausgeführt. Der Tanz zu einem elektronischen Sound wirkt mechanisch, abgehackt. Er ist eine Synthese und Vision von Bauhaus, Breakdance und der Gruppe Kraftwerk, eine Kritik an der Technologisierung sowie eine Verbeugung vor ihr, und die Grundlage, auf der das künstlerische Wirken von Cordeiro bis heute aufbaut.
Die Ausstellung im ZKM/Karlsruhe war eine der letzten Großtaten von Peter Weibel, der am 1. März verstarb und zur Autorenschaft des gleichnamigen Begleitkatalogs zählt. Der Kunst- und Medientheoretiker erkannte in Analívia Cordeiros Schaffen „eine einzigartige, bahnbrechende Errungenschaft“, nämlich der Bewegung eine „Schriftsprache“, einen Code verliehen zu haben und sie damit für immer festzuhalten. mir
Analívia Cordeiro From Body to Code Bis 23. April 2023 ZKM Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe Katalog zur Ausstellung Hrsg. von Claudia Giannetti Text: Englisch 360 Seiten, 300 Abbildungen in Farbe Hirmer Verlag € 49,90