Irregeführt?

Das Missverständnis mit der Unterwerfung

No. 03/2022

Der Akt der Unterwerfung ist so alt wie die Evolution. Wer sich als Mensch gesellschaftlich ein- bzw. unterordnete, bekam innerhalb eines Sozialgefüges Zugehörigkeit und Anerkennung zugesprochen. Wie es um die „freiwillige Unterwerfung“ in der bestehenden Gesellschaftsordnung mitsamt ihren Machtstrukturen bestellt ist, erläutert Isolde Charim in Die Qualen des Narzissmus.

Seit Jahrhunderten, speziell seit dem 16. Jahrhundert, wird der Mechanismus der Unterwerfung immer wieder hinterfragt, gewinnt aber gerade in den letzten Jahren vor dem Hintergrund sich auftürmender Krisen an Brisanz und Dringlichkeit. Eine Ursachenanalyse zum Phänomen der „freiwilligen Unterwerfung“ vollzieht die österreichische Philosophin und Publizistin Isolde Charim in ihrem aktuellen Buch, das den Narzissmus und die Bestrebungen freiheitlich lebender Menschen, sich Verhältnissen unterzuordnen, umfassend beleuchtet.

Die Autorin definiert den Narzissmus als Ideologie und beobachtet, dass der damit verknüpften Aufforderung, sich gesellschaftlich zu unterwerfen bis hin zur freiwilligen Knechtschaft, zunehmend entsprochen wird, mit Bemühungen wie: Wir alle müssen mehr werden als wir bereits sind, um so zu unserem eigentlichen Ideal zu werden, das wir nie erreichen können. Es ist ein Irrgarten der Widersprüche, in den sich der Mensch verheddert und aus dem offenkundig kein Ausweg führt, aber dennoch legt Charim dar, dass der Narzissmus für eine Gesellschaft eine Sackgasse ist, da er keine Weiterentwicklung ermöglicht und verhängnisvoll enden kann. Mit dieser ernüchternden Erkenntnis gibt sie Anlass, die „freiwillige Unterwerfung“ immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, an ihr zu rütteln, zu zweifeln und sich keinesfalls mit ihr abzufinden. fz

Die Qualen des NarzissmusDie Qualen des Narzissmus
Über freiwillige Unterwerfung
Von Isolde Charim
Gebunden, 224 Seiten
Zsolnay-Verlag € 24,-